Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Einspruchsrücknahme bei Ehegatten. Umzugskosten als neue Tatsache. Grobes Verschulden. Ablehnung Änderung Einkommensteuerbescheid und Einkommensteuer 2000

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Rücknahme eines von zusammenveranlagten Ehegatten gemeinsam eingelegten Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid erfordert eine klare und unmissverständliche Erklärung beider Ehegatten. Eine in der „Wir-Form” abgefasste, aber nur von einem Ehegatten unterzeichnete Einspruchsrücknahme wirkt nur für den unterzeichnenden Ehegatten, wenn der andere Ehegatte wegen eines Auslandsaufenthaltes von der Rücknahme keine Kenntnis hatte, eine Bevollmächtigung ausdrücklich verneint und die Rücknahme auch nicht (nachträglich) genehmigt hat.

2. Einem steuerlichen Laien ist zuzubilligen, aus seiner Sicht das Mögliche zu tun, um die begehrte Änderung des Steuerbescheides zu erreichen. Eine Genehmigung der Einspruchsrücknahme durch den anderen Ehegatten (Leitsatz 1) ist daher nicht darin zu sehen, dass er zu einem späteren Zeitpunkt (erneut) die Änderung des Steuerbescheides beantragt.

3. Ausweislich des Wortlautes zum Stichwort „Umzugskosten” in der Anleitung zur Einkommensteuererklärung 2000 sind Umzugskosten als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Wohnungswechsel anlässlich des erstmaligen Antritts einer Arbeitsstelle oder aufgrund eines Arbeitgeberwechsels erfolgt ist. Den Steuerpflichtigen trifft deshalb kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Umzugskosten, wenn die einkommensteuerliche Abzugsfähigkeit auf einer erheblichen Fahrzeitverkürzung im Sinne der Lohnsteuerhinweise H 41 beruht.

 

Normenkette

EStG 1997 §§ 26b, 9 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 362 Abs. 1, §§ 80, 173 Abs. 1 Nr. 2; LStH 2000 H 41

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 13. September 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Einkommensteuer der Kläger für das Jahr 2000 unter Berücksichtigung von weiteren Werbungskosten in Höhe von DM 5.079,65 festzusetzen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für die Kläger hinsichtlich ihrer Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7/6 des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Änderung eines Einkommensteuerbescheides.

Die miteinander verheirateten Kläger werden vom Beklagten gemeinsam zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie reichten die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 am 23. April 2001 beim Beklagten ein. Der Beklagten erließ am 11. Juni 2001 einen Einkommensteuerbescheid, gegen den die Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 2001, eingegangen am 10. Juli 2001 Einspruch einlegten. Zur Begründung des Einspruchs wurde ihnen vom Beklagten eine Frist bis zum 30. Juli 2001 gesetzt. Mit Schreiben vom 26. Juli 2001, eingegangen am 27. Juli 2001, wurde der Einspruch zurückgenommen. Dieses Schreiben ist lediglich mit einer Unterschrift der Klägerin versehen (vgl. Bl. 21 der Lohnsteuerakte). Mit Schreiben vom 1. September 2001, eingegangen am 5. September 2001 beantragten die Kläger die Berichtigung der Steuererklärung für das Jahr 2000 und gaben an, am 14. Mai 2000 von D., H.-Str. nach R. in die L.-Str. aus dienstlichen Gründen umgezogen zu sein, wodurch sich jeweils der Arbeitsweg von zwei Stunden auf 30 min. verkürzt. Umzugskosten wurden in Höhe von DM 5.507,35 geltend gemacht (wegen der Einzelheiten vgl. Bl. 24 der Lohnsteuerakte). Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 13. September abgelehnt. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 25. September 2001, eingegangen am 28. September 2001, Einspruch ein mit der Begründung, die Geltendmachung der Umzugskosten vergessen zu haben. Mit Bescheid vom 28. August 2002 wurde der Einspruch zurückgewiesen. Die amtliche „Anleitung zur Einkommensteuererklärung 2000” lautet auf S. 14 unter dem Stichwort „Umzugskosten” auszugsweise wie folgt:

„Umzugskosten können Sie als Werbungskosten geltend machen, wenn Sie Ihre Wohnung aus beruflichen Gründen gewechselt haben. Berufliche Gründe liegen vor, wenn Sie erstmals eine Stelle antreten oder Ihren Arbeitgeber wechseln. …”

Die Kläger sind der Auffassung, dass die durch den Umzug entstandenen Werbungskosten im Streitjahr 2000 zu berücksichtigen seien. Zwar sei der Änderungsantrag erst am 1. September 2001 gestellt worden, jedoch sei die Rechtsbehelfsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen, sodass der Steuerbescheid noch änderbar gewesen sei. Der Beklagte habe telefonisch die Klägerin vor Ablauf der Begründungsfrist für den Einspruch aufgefordert, den Einspruch wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückzunehmen. Die Klägerin wollte die Umzugskosten noch geltend machen, sei jedoch auf die Mitwirkung des Klägers angewiesen gewesen, der die jährlichen Steuererklärung erstellte. Der Kläger sei aber im Ausland gewesen, eine Bevollmäch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?