Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskostenabzug der Behandlungskosten für die Mensendieck-Methode einer an einem Impingement-Syndrom leidenden Berufsgeigerin
Leitsatz (redaktionell)
1. Leidet eine Berufsgeigerin an einem Impingement-Syndrom der linken Schulter mit anhaltenden Spannungen, Funktionsstörungen und Schmerzen im Schulterbereich sowie an schmerzbedingter Fehlhaltung der Wirbelsäule, so können die Kosten für eine therapeutische Behandlung und gymnastische Übungen nach der „Mensendieck”-Methode beruflich veranlasst sein und die Berufsmusikerin zum Werbungskostenabzug berechtigen.
2. Das gilt ungeachtet dessen, dass die Aufwendungen nicht von der Krankenkasse erstattet werden und es sich bei dem Impingement-Syndrom nicht um eine Berufskrankheit i. S. v. § 9 Abs. 1 SGB VII handelt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1, § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1; SGB VII § 9 Abs. 1
Tenor
Der Bescheid vom 13.5.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.2.2006 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von 1.287 EUR an Stelle der bisher in dieser Höhe berücksichtigten außergewöhnlichen Belastungen festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Gymnastikübungen als Werbungskosten.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2002 Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie aus nichtselbständiger Arbeit als Geigerin im M.-Sinfonieorchester und begehrte in ihrer Einkommensteuererklärung unter anderem den Abzug von Aufwendungen in Höhe von 1.611 EUR für „Berufliche Gymnastik” als Werbungskosten, die sich wie folgt zusammensetzten: 751 EUR für individuelle Gymnastik nach Mensendieck, 680,40 EUR Fahrtkosten, 180 EUR Beratungskosten für Frau Dr. F.
Nach dem ärztlichen Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie Dr. med. R vom 14.3.2006 leidet die Klägerin seit April 2001 an einem Impingement-Syndrom der linken Schulter mit anhaltenden Spannungen, Funktionsstörungen und Schmerzen im Schulterbereich sowie an schmerzbedingter Fehlhaltung der Wirbelsäule. Die Probleme konnten trotz intensiver therapeutischer Maßnahmen wegen der ständigen und starken beruflichen Beanspruchung nicht beseitigt werden. Die regelmäßige Therapie zur Zentrierung der Schulter und Stabilisierung der Wirbelsäule nach Brügger sei zur Erhaltung der Einsatz- und Arbeitsfähigkeit der Klägerin erforderlich, werde aber nicht über die gesetzlichen Krankenkassen-Verordnungen, sondern von der Patientin privat bezahlt.
Aus den Stellungnahmen der Mensendieck-Therapeutin S vom 13.3.2006 und vom 4.4.2006 ergibt sich, dass durch eine zu angestrengte Haltung an der Geige eine Blockade und Durchblutungsstörung sowie Bewegungseinschränkungen besonders an der Halswirbelsäule links bestehen, wo die Geige festgehalten wird. In dem Unterricht hat die Therapeutin die von der Geigenhaltung stammenden Verspannungen als Folge der muskulären Überanstrengung mit Mensendieckübungen deutlich reduzieren können. Die Übungen würden der Bewusstmachung der Haltung und der physiologischen Zusammenhänge dienen. Es sei eine funktionelle Bewegungslehre, die individuell eingesetzt werde und darauf abziele, die sich durch die unnatürliche Haltung der Geige ergebenden Probleme durch bewusstes Gegensteuern zu minimieren, damit der Schüler es schaffe, auch bei größter dienstlicher Beanspruchung seine Muskeln zu kontrollieren und Verspannungen schon während der Belastung entgegen zu wirken. Es sei ein langwieriger Prozess, aus den alten Mustern heraus zu kommen und neue Abläufe zu erlernen. Darüber hinaus diene der Unterricht dem Erlernen einer bewussten Atmung, da in Anspannungssituationen durch fehlenden Sauerstoff Verspannungen noch gefördert würden. Korrekte Haltung und Atmung würden im direkten Zusammenhang stehen und sich gegenseitig bedingen. Mensendieck sei in Deutschland nicht bekannt Sie habe ihre Ausbildung in D erhalten und arbeite seit 1990 in Deutschland.
Das Finanzamt erkannte diese Kosten nicht als abzugsfähige Werbungskosten an, sondern ließ sie lediglich als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zu, ohne ein amtsärztliches Attest zu verlangen. Es setzte die Einkommensteuer 2002 mit Bescheid vom 17.2.2004 auf 13.660 EUR fest und erläuterte die Abweichung im Bescheid.
Dagegen erhob die Klägerin Einspruch mit der Begründung, im Frühjahr 2001 sei sie wegen zunehmender Schmerzen in der linken Schulter beim Geigespielen von der Orthopädin Frau Dr. R krankgeschrieben worden und habe in der Folgezeit mehrere Serien von Krankengymnastik, Massagen, Reizstrom, Fangopackungen, manuelle Therapie und eine spezielle Gymnastik nach Brügger absolviert, verbunden mit der Einnahme von starken Sch...