Rz. 6
§ 130 regelt und präzisiert ausschließlich ein außerordentliches Kündigungsrecht der Träger der Eingliederungshilfe. Da es sich bei den Vereinbarungen nach §§ 123 ff. um öffentlich-rechtliche Verträge handelt (vgl. Komm. zu§ 123 Rz. 20), kommen über § 61 Satz 2 SGB X ergänzend die Regelungen des BGB zur Anwendung (§ 626 BGB), die auch dem Leistungserbringer offen stehen. Das außerordentliche Kündigungsrecht der Träger der Eingliederungshilfe regelt § 130 abschließend (§ 61 Satz 1 SGB X). Allerdings kann auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 58 Abs. 1 Satz 2 SGB X i. V. m. § 123 BGB) in Betracht kommen (vgl. SG Potsdam, Urteil v. 6.1.2014, S 20 SO 183/10, Rz. 20, juris).
Eine ordentliche Kündigung, in Vereinbarungen zu regeln, bleibt neben einer außerordentlichen Kündigung nach den allgemeinen Regelungen möglich (Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 78 Rz. 10; Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 78 Rz. 2a; a. A. Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, § 78 Rz. 46). Eine entsprechende ausdrückliche Regelung (wohl auch für in der Laufzeit unbegrenzte Vereinbarungen vorgesehen), wie vom Bundesrat eingefordert, wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht umgesetzt (vgl. Stellungnahme des BR zum Entwurf des BTHG, 18/9954 S. 50 f.). Im Übrigen muss bei einem fortdauernden Sozialverwaltungsvertragsverhältnis unabhängig von Vertragsregelungen die Möglichkeit der (ordentlichen) Vertragsbeendigung gegeben sein (BVerwG, Urteil v. 29.12.2000, 5 B 171/99, Rz. 6, RsDE (2002) Nr. 50 S. 78, 79; offen gelassen von BSG, Urteil v. 7.10.2015, B 8 SO 1/14 R, SGb 2017 S. 104, 106 mit Anm. Gottlieb, SGb 2017 S. 104, 109; auch Kunte, RsDE (2009) Nr. 68 S. 55). Das SG Düsseldorf (Urteil v. 30.5.2012, S 2 KA 462/11, juris) präzisiert diesen Grundsatz, wonach – soweit die Vertragsparteien ein ordentliches Kündigungsrecht weder geregelt noch ausgeschlossen haben – über § 61 Satz 2 SGB X die zivilrechtlichen Kündigungsbestimmungen, insbesondere der § 624 BGB (Kündigungsfrist bei Verträgen über mehr als 5 Jahre), entsprechend anwendbar sind (vgl. dazu BGH, Urteil v. 28.2.1972, III ZR 212/70, NJW 1972 S. 1128, und Urteil v. 25.5.1993, X ZR 79/92, NJW-RR 1993 S. 1460). Diesen Regelungen ist der Grundgedanke zu entnehmen, dass bei Bemessung der Kündigungsfrist die Auswirkung auf den Vertragspartner angemessen beurteilt und berücksichtigt werden muss. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen ist hierbei eine allerdings lange Kündigungsfrist anzunehmen. Kritisch zum Recht auf eine ordentliche Kündigung sind Jaritz/Eicher, wonach ein Recht zur ordentlichen Kündigung einer Vereinbarung den Vertragsparteien nur zu stehe, wenn es vertraglich geregelt oder Laufzeiten festgelegt sei (Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, § 78 Rz. 46). Andererseits räumen Jaritz/Eicher ein, dass entsprechend des allgemeinen Rechtsgrundsatzes in § 626 BGB auch bei einer unbefristet vereinbarten Vertragsbeziehung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist diese Vertragsbeziehung beendet werden könne (Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 80 Rz. 11).