Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des ehemaligen Geschäftsführers einer in Insolvenz gegangenen GmbH für nicht abgeführte Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme eines GmbH-Geschäftsführers steht die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht entgegen. Im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Geschäftsführer.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1 S. 1, § 69; InsO § 22 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH für die nicht an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer (LSt) haftet.
Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der ... GmbH (nachfolgend: GmbH), für die er am 12. September 2001 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragte. Mit Beschluss vom 13. September 2001 bestellte das Amtsgericht Herrn Rechtsanwalt ... zum Gutachter und zum vorläufigen Insolvenzverwalter, ohne ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Insolvenzordnung (InsO) zu erlassen. Gemäß § 22 Abs. 2 InsO bestimmte das Gericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters unter anderem wie folgt:
- "Der vorläufige Verwalter soll das vollstreckungsbefangene Vermögen der Schuldnerin in Verwaltung und Verwahrung nehmen, er soll Außenstände einziehen und sie, eingehende Gelder und vorhandene Barguthaben, auf ein von ihm zu errichtendes Anderkonto einzahlen."
Bis August 2002 hatte die GmbH die Löhne und Gehälter in voller Höhe an ihre Arbeitnehmer ausgezahlt. Die LSt-Anmeldung für August 2001 war beim Finanzamt, das eine Einzugsermächtigung für sämtliche Steuerforderungen hatte, am 7. September 2001 eingegangen. Am 19. September 2001 veranlasste der vorläufige Insolvenzverwalter eine Sperrung des Kontos. Der Bankeinzug des Finanzamts vom 19. September 2001 ging daher zu Protest. Am 1. November 2001 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt ... zum Insolvenzverwalter bestimmt.
Mit Haftungsbescheid vom 2. April 2002 nahm das Finanzamt den Kläger für nicht abgeführte LSt, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag der GmbH für den Monat August gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abgabenordnung (AO) in Anspruch.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Vorverfahren (auf die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 10. Juli 2002 wird verwiesen) erhobene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger - ähnlich wie bereits im Vorverfahren - vor:
Bei Fälligkeit der Löhne und Gehälter für August 2001 am 31. August 2001 habe er nicht gewusst, dass er am 12. September 2001 einen Insolvenzantrag für die GmbH stellen müsste. Zuvor hätten zwischen der Alleingesellschafterin der GmbH aussichtsreiche Übernahmeverhandlungen stattgefunden. Die GmbH habe entweder fortgeführt oder vom Verhandlungspartner übernommen werden sollen. Die Gespräche seien bereits derart konkret gewesen, dass dem Übernahmeinteressenten sämtliche relevanten Geschäfts- und Bilanzunterlagen der GmbH vorgelegen hätten. Die Firma ... habe die Gespräche am 10. September 2001 überraschend abgebrochen, weil die beabsichtigte Finanzierung über deren Hausbank gescheitert sei. Er, der Kläger, habe deshalb am 12. September 2001 einen Insolvenzantrag gestellt. Wegen der ihm vom Insolvenzgericht auferlegten Verfügungsbeschränkungen sei es ihm danach nicht mehr möglich gewesen, die zwei Tage zuvor fällig gewordene und angemeldete LSt zu bezahlen. Am 10. September 2001 seien auf dem Konto der GmbH genügend Gelder vorhanden gewesen, um die LSt-Schuld zu begleichen. Am 19. September 2001, als das Finanzamt von seiner Einzugsermächtigung Gebrauch gemacht habe, seien auf dem Konto 13.892,16 DM gewesen. Den vorläufigen Insolvenzverwalter habe er auf die noch nicht getilgte LSt für August hingewiesen. Dieser habe ihm versichert, sich darum zu kümmern, habe ihm dann aber mit Rücksicht auf den Zustimmungsvorbehalt untersagt, weitere Verfügungen zu Lasten der GmbH vorzunehmen. Im Übrigen wäre er, der Kläger, im Hinblick auf § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz ohnehin gehindert gewesen, Zahlungen zu Lasten der GmbH auszuführen. Ihm sei keine grob fahrlässige Pflichtverletzung wegen Nichtabführung der LSt vorzuwerfen.
Zum Beweis seines Vorbringens hat der Kläger ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 13. Juni 2005 vorgelegt, auf das verwiesen wird.
Der Kläger beantragt, den Haftungsbescheid des Finanzamts vom 2. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2002 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor:
Der Kläger könne sich weder darauf berufen, dass ihm durch das Insolvenzgericht Verfügungsbeschränkungen auferlegt worden seien, noch, dass ihm der vorläufige Insolvenzverwalter durch die Kontensperrung die Möglichkeit genommen habe, die für den Monat August 2001 angemeldete LSt an d...