Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Freistellung des Existenzminimums
Leitsatz (redaktionell)
Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Ehepaares mit drei Kindern durch den Grundfreibetrag, die Kinderfreibeträge und den Betreuungsbedarf in den Jahren 2000 bis 2004 begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
EStG § 31 S. 2, § 32 Abs. 6, § 32a Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger begehren die vollständige Anerkennung von Vorsorgeaufwendungen, die Anerkennung von Ausbildungs- und Studienkosten der Kinder sowie die Freistellung des Existenzminimums.
Der Kläger erzielte in 2000 bis 2004 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie in 2000 Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Kläger haben in den Streitjahren teils für 3, teils für 2 Kinder Kindergeld erhalten. Aus den streitgegenständlichen ESt-Bescheiden ergeben sich folgende Kennzahlen:
|
zu versteuerndes Einkommen |
festgesetzte Einkommensteuer |
2000 |
120.792 DM |
28.308 DM |
2001 |
116.745 DM |
24.886 DM |
2002 |
48.530 € |
14.586 € |
2003 |
50.658 € |
13.416 € |
2004 |
55.971 € |
12.448 € |
Mit den gegen die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide eingelegten Einsprüchen rügten die Kläger die nicht vollständige Anerkennung von Vorsorgeaufwendungen, die nicht erfolgte Freistellung des Existenzminimums vor dem Hintergrund ihrer konkreten Situation, insbesondere der nicht ausreichenden Freistellung des Existenzminimums der Kinder sowie den nicht erfolgten Abzug von Schulgeld für eine berufsbildende Ergänzungsschule (…), welches für den Schulbesuch der Tochter A gezahlt worden war. Die Kläger haben bereits wegen der in Rede stehenden Streitpunkte für das Jahr 1999 ein Klageverfahren vor dem erkennenden Senat geführt (Az. 3 K 115/02). Die Klage wurde durch Urteil vom 15.09.2004 abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesfinanzhof verworfen (Az. XI B 140/04).
Sämtliche Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 27.12.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Auf den Inhalt der im Vorverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Einspruchsentscheidungen wird Bezug genommen.
Ihre hiergegen erhobene Klage begründen die Kläger im Wesentlichen wie folgt:
Der Bundesfinanzhof habe ihnen insbesondere vorgeworfen, sie hätten zur Begründung ihrer Beschwerde darlegen müssen, dass ihr Existenzminimum unter der Vergleichsebene des Sozialhilferechts gelegen habe. Vor diesem Hintergrund seien die streitgegenständlichen Steuerbescheide der gerichtlichen Überprüfung zu unterstellen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998 zum Az. 2 BvL 42/93 (BVerfGE 99, 246) stelle fest, dass das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum den Betrag, den der Staat einem Bedürftigen im Rahmen staatlicher Fürsorge gewähre, jedenfalls nicht unterschreiten dürfe. Ihre Fiktivberechnung habe ergeben, wie ihnen in den Streitjahren die Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenvorsorgeleistungen, Wohngeld bzw. Bafög gewährt worden wäre. Sie hätten sich dabei auf die Berichte der Bundesregierung zum Existenzminimum bezogen und die Ergebnisse für das Jahr 2004 interpoliert. Das Existenzminimum einer Familie mit drei Kindern liege so nach ihren Berechnungen unter Berücksichtigung von Leistungen, die der Sozialhilfeträger an gesetzliche Krankenkassen gezahlt hätte, in 2000 bei 53.628 DM, 2001 bei 54.156 DM, 2002 bei 30.957 €, 2003 bei 32.376 €, 2004 bei 32.692 € und 2005 bei 33.012 €. Die Berechnung dieser Werte haben die Kläger in der Anlage K3 dargestellt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Es ergebe sich die folgende, als Anlage K2 eingereichte Korrekturberechnung der streitgegenständlichen ESt-Bescheide unter voller Berücksichtigung der Existenzminimumberichte der Bundesregierung.
|
2000 - DM |
2001 - DM |
2002 - € |
2003 - € |
2004 - € |
Einkünfte brutto |
142.337 |
149.326 |
77.446 |
76.597 |
75.924 |
abzgl. Existenzminimum |
53.628 |
54.156 |
30.957 |
32.376 |
32.692 |
bereinigte Einkünfte brutto |
88.708 |
95.170 |
46.489 |
44.221 |
43.232 |
abzgl. Werbungskosten, |
|
|
|
|
|
Sonderausgaben und agB |
… |
… |
… |
… |
… |
zvE |
74.145 |
80.084 |
38.554 |
31.844 |
30.690 |
ESt lt. Tabelle Splittingtarif |
12.742 |
13.216 |
6.056 |
4.202 |
3.320 |
bisherige Steuerfestsetzung |
28.308 |
24.886 |
14.586 |
13.416 |
12.448 |
Rückzahlung Kindergeld |
8.240 |
11.040 |
5.844 |
5.844 |
5.844 |
Auf den Inhalt der Anlage K2 wird Bezug genommen.
Zu berücksichtigen sei die besondere Situation ihrer Familie, die in erheblichem Umfang Nachteile durch eine Holzschutzmittelvergiftung habe hinnehmen müssen. Auf den Inhalt der Anlage K4 wird Bezug genommen. Trotz der auf den ersten Blick zufriedenstellenden Einkommenssituation sei hieraus eine Belastung entstanden, die auch aus den grundgesetzlichen Erwägungen der Sicherung des Existenzminimums nicht heraus hingenommen werden könne.
Das Bundesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 29.06.1990 (BVerfGE 82, 60) Leitlinien für eine familiengerechte ...