Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 und des StBereinG 1999 für Veranlagungszeiträume vor 1999
Leitsatz (redaktionell)
Die rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999,2000, 2002 und des StBereinG 1999 auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 ist nicht zu beanstanden, wenn die Bilanz für das Jahr 1996 erst im Jahre 1999 eingereicht und der Antrag auf Änderung dieser Bilanz im Jahre 2000 gestellt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der ESt-Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 2 S. 2, § 52 Abs. 9; AO §§ 164, 176
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, in welcher Weise ein Veräußerungsgewinn zu versteuern ist.
Der Kläger erzielte aus seinem Betrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Einkünfte wurden im Wege des Bestandsvergleichs gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt.
Der Betrieb wurde zum 30. September 1996 verkauft.
Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuer(ESt)-Erklärung wurden die Besteuerungsgrundlagen des Streitjahres 1996 in dem ESt- Bescheid 1996 vom 26. Februar 1999 geschätzt. Der Bescheid erging gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig und nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 11. März 1999 Einspruch ein.
Zur Begründung ihres Einspruchs wurde am 9. Juni 1999 die ESt- Erklärung 1996 und die Schlussbilanz zum 30. September 1996 eingereicht. In dieser erklärte der Kläger einen laufenden Gewinn in Höhe von -81.045,13 DM. Aus dem Verkauf des Betriebes erklärte er einen Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt 1.430.963,47 DM. Hiervon entfielen auf den Grund und Boden 205.323,- DM, auf das Gebäude 1.079.472,- DM und auf den Verkauf sonstiger Aktiva 146.168,47 DM. Für den Grund und Boden sowie für das Gebäude stellte der Kläger in Höhe von 50 % des Veräußerungsgewinns (102.662 DM bzw. 539.736 DM) eine Rücklage gemäß § 6 b EStG ein. Der Veräußerungsgewinn minderte sich hierdurch um insgesamt 642.397 DM auf 788.566,47 DM. Diesen Betrag setzte er in der Anlage GSE der ESt-Erklärung als gemäß § 16 EStG zu versteuernden Veräußerungsgewinn an.
Das Finanzamt erließ am 5. August 1999 einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten ESt-Bescheid; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufrecht erhalten. In diesem Bescheid wurde die Steuer entsprechend den Angaben in der ESt-Erklärung auf 188.960 DM festgesetzt; dabei wurde der Veräußerungsgewinn gem. § 34 Abs. 1 EStG mit dem ermäßigten Steuersatz der Besteuerung unterworfen.
Am 27. März 2000 änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid für 1996 gem. § 164 Abs. 2 AO. Zur Begründung teilte es dem Kläger mit, dass gem. § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG der Veräußerungsgewinn nicht mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert werden könne, da auf die außerordentlichen Einkünfte § 6 b EStG angewandt worden sei. Die Steuer wurde nunmehr auf 388.536 DM festgesetzt. In der Folgezeit wurde der ESt-Bescheid 1996 aus hier nicht relevanten Gründen am 15. Mai und 2. August 2000 geändert.
Die Kläger legten gegen den geänderten ESt-Bescheid vom 27. März 2000 fristgerecht Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2000 reichten sie einen geänderten Jahresabschluss für 1996 ein und beantragten die Zustimmung zur Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG. In diesem Jahresabschluss wurde der Veräußerungsgewinn ohne Ansatz von Rücklagen gem. § 6 b EStG ermittelt; der zu versteuernde Veräußerungsgewinn wurde nunmehr mit 1.430.963,47 DM angesetzt.
Zur weiteren Begründung trugen die Kläger vor:
Gem. § 164 Abs. 2 Satz 2 AO könne der Steuerpflichtige jederzeit die Aufhebung der Änderung der Steuerfestsetzung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheides beantragen. Von den sonst bei Steuerbescheiden erforderlichen Änderungsvoraussetzungen sei eine solche Änderung nicht abhängig. Deshalb sei der mit Schreiben vom 16. Juni 2000 gestellte Antrag auf Zustimmung zur Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG hinfällig und als Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO zu verstehen. Die Einreichung der Bilanzänderung mit der Rückgängigmachung der Rücklage gem. § 6 b EStG sei als eine Änderung der Steuererklärung nach § 164 Abs. 2 AO zu verstehen. Aus diesen Gründen seien die Vorschriften der §§ 172 ff. AO, wonach Steuerbescheide nur aufgehoben oder geändert werden dürften, soweit § 172 Abs. 1 AO dies zulasse oder dies nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 d AO anderweitig gesetzlich zugelassen sei, nicht anzuwenden. Eine Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 1 AO sei deshalb auch hinsichtlich des Ansatzes von Wahlrechten und damit auch hinsichtlich der Änderung der Besteuerungsgrundlagen umfassend vorläufig und könne deshalb auch umfassend vom Steuerpflichtigen geändert werden, solange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam sei. Diese umfassende Änderungsmöglichkeit werde...