Revision eingelegt (BFH III R 27/22)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Auszahlungsbegrenzung von Kindergeld auf die letzten sechs Monate vor Antragstellung
Leitsatz (amtlich)
Die Auszahlungsbegrenzung nach § 70 Abs. 1 S. 2 EStG in der Fassung des SozialMissbrG ist nicht zu beanstanden.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anwendung von § 70 Abs. 1 S. 2 EStG in seiner durch das SozialMissbrG eingeführten Fassung (n.F. "sog. Auszahlungsbeschränkung").
Der Kläger beantragte am 5. August 2019 die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes für die Zeit vom August 2018 bis Oktober 2019 für das Kind A. Mit Bescheid vom 7. Mai 2020 setzte daraufhin der Beklagte das Kindergeld für das Kind A für den beantragten Zeitraum August 2018 bis einschließlich Oktober 2019 fest. Jedoch wurde die Auszahlung auf den Zeitraum Februar 2019 bis Oktober 2019 begrenzt - für den Zeitraum August 2018 bis einschließlich Januar 2019 wurde keine Auszahlung verfügt. Auf Seite 2 des angegriffenen Bescheides führte der Beklagte insoweit Folgendes aus:
Aufgrund der gesetzlichen Änderung nach § 70 Abs. 1 S. 2 EStG können Anträge, die nach dem 18. Juli 2019 eingehen, unabhängig vom festgesetzten Zeitraum rückwirkend nur zu einer Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrags bei der Familienkasse führen. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.
Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 5. Juni 2020, soweit die Auszahlung des bewilligten Kindergeldes auf die letzten sechs Monate vor dem Eingang des Antrags begrenzt wurde. Er verwies dazu auf die Rechtsprechung zur damaligen Auszahlungsbeschränkung nach § 66 Abs. 3 EStG in seiner vor dem SozialMissbrG geltenden Fassung (a.F.). Das Verfahren ruhte zwischenzeitlich.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. August 2021 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Sie verwies auf § 70 Abs. 1 S. 2 EStG n.F.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 17. September 2021 eingegangenen Klage. Zur Begründung trägt er vor, dass derBFH mit seinem Urteil vom 19. Februar 2020 (III R 66/18) geurteilt habe, dass die Familienkasse den Auszahlungsanspruch nicht unter Berufung auf § 66 Abs. 3 EStG a.F. begrenzen dürfe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Auszahlung in der Einspruchsentscheidung auf den Zeitraum von Februar 2019 - Oktober 2019 begrenzt werde.
Der Kläger beantragt wörtlich,
den angegriffenen Bescheid vom 7. Mai 2020 in Form der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2021, zugegangen am 20. August 2021, aufzuheben und dem Kläger für die Zeit von August 2019 bis einschließlich September 2019 das Kindergeld auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf § 70 Abs. 1 EStG n.F. Soweit sich der Kläger auf die Rechtsprechung zu § 66 Abs. 3 EStG a.F. berufe, sei dies durch die Neufassung von § 70 Abs. 1 EStG überholt.
Der Berichterstatter hat sich mit Verfügung vom 15. März 2022 an die Beteiligten gewandt, auf die Entstehungsgeschichte der Neufassung von § 70 Abs. 1 EStG, sowie darauf hingewiesen, dass die Neufassung hier anwendbar sein dürfte und bislang in der Rechtsprechung auch angewendet worden sei, und dass jedoch Verfahren beim BFH anhängig seien. Er bat die Beteiligten um Mitteilung, ob das Verfahren im Lichte der Ausführungen erledigt werden könne, oder ob - wenn eine übereinstimmende Erledigung nicht zustande käme - die Beteiligten mit einem Ruhen einverstanden wären. Ein Einvernehmen mit der vorgeschlagenen Erledigung oder mit dem Ruhen des Verfahrens bis zur Klärung durch den BFH kam nicht zustande.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid über die Begrenzung der Auszahlung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
1.)
Das Gericht legt den Klagantrag rechtsschutzgewährend dahingehend aus, dass der Kläger die Auszahlung desjenigen Kindergeldes begehrt, welches ihm verwehrt wurde. Die Auszahlung des beantragten und festgesetzten Kindergeldes ist auf den Zeitraum Februar 2019 bis Oktober 2019 begrenzt - für den Zeitraum August 2018 bis einschließlich Januar 2019 wurde keine Auszahlung verfügt. Letzteres wurde mit dem Einspruch angegriffen und war Gegenstand der Einspruchsentscheidung. Soweit der Kläger nunmehr wörtlich die Auszahlung von Kindergeld für "August 2019 bis einschließlich September 2019" - also nur für zwei (unstreitige) Monate - begehrt, liegt ein offenbarer Schreibfehler vor, da sich aus den sonstigen Umständen ergibt, dass sich der Kläger gegen das verwehrte und nicht das zur Auszahlung gestellte Kindergeld wehrt.
2.)
Die Beteiligten streiten über die Auszahlungsbegrenzung, welche in § 70 Abs. 1 S. 2 EStG n.F. vorgesehen ist. Insoweit handelt es sich um eine Streitigkeit, welche die Verwirklichung - und nicht die Festsetzung - kindergeldrechtlich...