rechtskräftig: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit; haftungsbegründende Kausalität; maximale Raumluftkonzentration; Blut- und Fettgewebeuntersuchung; Durchschnittsbelastung
Leitsatz (amtlich)
Für eine Berufskrankheit nach Nr. 1302, 1310 der Anlage 1 zur BKVO fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität, wenn die Messwerte der maximalen Raumluftkonzentration und der Blut- und Fettgewebeuntersuchungen die Durchschnittsbelastung der Bevölkerung mit Schadstoffen nicht überschreiten.
Normenkette
RVO § 551; BKVO Anlage 1 Nrn. 1302, 1310
Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 11.01.1999; Aktenzeichen S 3 U 146/95) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 11. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin wegen einer Berufskrankheit zu entschädigen ist.
Die 19… geborene Klägerin war seit 1973 mit einer Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche als Kinderpflegerin im Kindergarten der … Kirchengemeinde in N. tätig. Am 23. September 1986 wurde sie arbeitsunfähig. Sie bezieht inzwischen Rente wegen herabgesetzter Erwerbsfähigkeit.
Am 25. November 1986 erstattete der Arzt für innere Medizin Dr. F. eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Er berichtete über Übelkeit der Klägerin, Aufstoßen, Abgeschlagenheit und Erschöpfung. Diese Beschwerden führte die Klägerin zurück auf den Kontakt mit chlorierten Dioxinen und Furanen am Arbeitsplatz. Weitere Anzeigen erstatteten der HNO-Arzt Dr. B. am 21. Januar 1987 und der Arbeitgeber der Klägerin am 3. Februar 1987. Er hatte bereits im April bzw. Juli 1986 Raumluft- und Holzuntersuchungen in den Räumen der Kindertagesstätte durchführen lassen. Nach dem Bericht des B. Umweltinstitutes vom 29. April 1996 wiesen die Konstruktions- und Deckenbalken Wirkstoffgehalte auf, die für eine Behandlung mit einem PCP- und lindanhaltigen Holzschutzmittel typisch waren, ohne dass die empfohlenen MRK-Werte bzw. die maximal akzeptable Tagesdosis für beide Wirkstoffe annähernd erreicht wurden. Dem Bericht des Institutes für Hygiene der … Universität B. vom 16. Juli 1986 zufolge enthielt die Raumluft polychlorierte Dioxine und Furane, allerdings in einem deutlich unter dem vom Umweltbundesamt festgelegten Grenzwert liegendem Ausmaß.
Die Beklagte holte Befundberichte ein von dem HNO-Arzt Dr. B. vom 26. März 1987, dem Internisten Dr. F. vom 30. April 1987, dem praktischen Arzt F. vom 31. Juli 1987, 3. Juni 1988 und 9. Mai 1991 mit weiteren Anlagen, der praktischen Ärztin B. vom 9. September 1987 und der Internistin Dr. T. vom 15. Dezember 1989 ein. Außerdem zog sie Unterlagen über epidemiologische Studien zu den Felgen der Exposition gegenüber HSM von Dr. K. bei. Sodann ließ sie das nervenärztliche Gutachten von Prof. Dr. T. vom 4. Juni 1992 und das toxikologische Fachgutachten von Prof. Dr. W. vom 22. November 1993 erstellen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Arztes für Arbeitsmedizin Dr. R. und des Landesgewerbearztes lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit und Entschädigungsleistungen durch Bescheid vom 14. Dezember 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 1995 mangels ursächlichem Zusammenhangs zwischen den Erkrankungen der Klägerin und den chemischen Einwirkungen am Arbeitsplatz ab.
Am 20. Juli 1995 hat die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Es bestehe ein Ursachenzusammenhang. Sie stütze sich hierzu auf die Ausführungen des praktischen Arztes Fabig, der insbesondere die SPECT-Untersuchung hinreichend berücksichtige.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 1302 bzw. 1310 der Anlage 1 zur BKVO, hilfsweise wegen einer Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte hat unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat von dem Arzt für Pharmakologie und Toxikologie Prof. Dr. St. ein Gutachten erstellen lassen. In seinem Gutachten vom 6. Januar 1997 verneinte Prof. Dr. St. das Vorliegen einer Berufskrankheit im Wesentlichen mit der Begründung, die Expositionen, denen die Klägerin am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen sei, reichten für die Verursachung toxischer Schäden und daraus resultierender Gesundheitsstörungen nicht aus.
Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten von Prof. Dr. F. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 4. September 1998 das Vorliegen der Berufskrankheit 1302 und 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) bejaht. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, die Vorgutachter hätten die individuelle Empfänglichkeit der Klägerin nicht ausreichend gewürdigt und fälschliche...