Rz. 4
§ 117a Abs. 1 S. 1 AO erlaubt es den mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Finanzbehörden, auf Ersuchen einer für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten zuständigen Stelle eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Schengen-assoziierten Staates personenbezogene Daten, die im Zusammenhang mit dem in § 208 AO bestimmten Aufgabenbereich stehen, zum Zweck der Verhütung von Straftaten zu übermitteln. Zu den mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen gehörten bislang nur die Steuerfahndungsstellen der Landesfinanzbehörden gem. § 208 AO. Zwar nimmt auch das BZSt präventive Aufgaben i. S. d. § 208a AO wahr und erfüllt in dieser Funktion die Voraussetzungen gem. Art. 2 a RbDatA. Allerdings wurde diese Behörde bislang nicht gem. Art. 2a S. 3 der RbDatA dem Generalsekretär des Rates als zuständige Behörde benannt. Daher ist das BZSt trotz der geänderten Befugnisse in § 208a AO nicht von § 117a Abs. 1 AO erfasst. Voraussetzung für eine Datenübermittlung ist demnach, dass
- ein Ersuchen vorliegt
- dieses Ersuchen den formalen Anforderungen entspricht
- dieses Ersuchen von einer für die Verfolgung und Verhütung von Straftaten zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Schengen-assoziierten Staates stammt
- ohne dass ein Ausschlussgrund für die Datenübermittlung vorliegt.
Als Rechtsfolge sieht § 117a Abs. 1 S. 1 AO die Befugnis zur Übermittlung solcher personenbezogener Daten vor, die im Zusammenhang mit dem Aufgabenbereich nach § 208 AO stehen. Dazu gehören alle Daten, die der Steuerfahndung in Bezug auf deren Aufgaben nach § 208 AO vorliegen, also auch Daten aus dem Besteuerungsverfahren. Die Daten müssen für die Steuerfahndung verfügbar sein und nicht erst erhoben werden. Erfasst sind sowohl Daten natürlicher als auch juristischer Personen oder Personenvereinigungen.
Rz. 4a
§ 117a AO sieht keine ausdrückliche Fristenregelung für die Beantwortung von Anfragen vor. Allerdings sind bei europarechtskonformer Auslegung die in der RbDatA genannten Fristen durch die nationalen Behörden zu beachten. Gem. Art. 4 Abs. 1 RbDatA sind solche Informationen, die in Datenbanken gespeichert und der angefragten Behörde unmittelbar zugänglich sind, bei dringenden Ersuchen im Regelfall binnen 8 Stunden zu beantworten. Bei nicht dringenden Ersuchen beträgt die Frist 1 Woche. In allen anderen Fällen ist das Ersuchen binnen 2 Wochen zu beantworten. Kann die Steuerfahndung die 8-Stunden-Frist nicht einhalten, so teilt sie dies der ersuchenden Behörde auf einem Formblatt mit.
Rz. 5
Obwohl es sich bei der Übermittlung nach Abs. 1 dem Wortlaut nach um eine Ermessensvorschrift handelt, ist bei europarechtskonformer Auslegung i. d. R. davon auszugehen, dass sich das Ermessen auf Null reduziert, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 117a AO erfüllt sind und kein Ausschlussgrund für die Übermittlung der Daten vorliegt. Eine Ausnahme von dieser Ermessensreduzierung ergibt sich dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Datenweitergabe gegen den ordre-public-Grundsatz verstößt. Bei einem entsprechenden Verdacht ist der ersuchende Staat zur Nachbesserung seines Ersuchens aufzufordern. Wegen der klaren Regelung in Art. 8 und 9 RbDatA sind an die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre-public-Grundsatz jedoch hohe Maßstäbe zu richten. Im Zweifelsfall kann sich die Auskunft erteilende Behörde die Wahrung des Datenschutzes von der ersuchenden Behörde garantieren lassen.