Rz. 3
Wird ein Verwaltungsakt nur auf Antrag erlassen, liegt ein schwerer, zur Nichtigkeit führender Fehler dann nicht vor, wenn dem von dem Betroffenen oder mit seinem Wissen und Wollen gestellten Antrag die Unterschrift fehlt; das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift auf dem Antragsformular ist kein so schwerwiegender Verfahrensfehler, dass die Nichtigkeit des Verwaltungsakts eintreten müsste.
Ein Kirchensteuerbescheid gegen eine Person, die aus der Kirche ausgetreten ist, leidet nicht an einem so schwerwiegenden Fehler, dass er nichtig wäre. Ebenfalls keine Nichtigkeit liegt vor, wenn kein Antrag gestellt, aber dennoch ein Bescheid erlassen worden ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass gem. § 126 Abs. 1 Nr. 1 AO ein nicht gestellter Antrag nachgeholt werden kann und der Formfehler damit geheilt ist. Gem. § 126 Abs. 1 Nr. 1 AO gilt diese Regelung nur, wenn der Formfehler nicht zur Nichtigkeit führt. Die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt durch das Nachholen eines Antrags zu heilen, bedeutet implizit damit auch, dass dieser Fehler (fehlender Antrag) regelmäßig nicht die Nichtigkeit des Verwaltungsakts begründen kann.
Rz. 4
Nichtigkeit kann auch bei offensichtlich fehlender gesetzlicher Grundlage vorliegen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Verwaltungsakt offensichtlich über das nach der Rechtsordnung Zulässige hinausgeht und damit schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung ist. Ein Verwaltungsakt ist daher nicht allein deshalb nichtig, weil er rechtswidrig ist, also keine gesetzliche Grundlage hat oder eine vorhandene Rechtsgrundlage falsch angewendet worden ist; hinzukommen muss, dass er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemand erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht. Ein Folgebescheid ist daher nicht schon deshalb nichtig, weil der Grundlagenbescheid, auf dem er beruht, nichtig ist.
Rz. 5
Nichtigkeit liegt vor, wenn ein Verwaltungsakt, für den gesetzlich die Schriftform vorgesehen ist, nicht schriftlich ergeht. Nicht zur Nichtigkeit führt es, wenn der Verwaltungsakt durch Täuschung, Drohung oder Bestechung verursacht worden ist. Auch ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist erlassener Bescheid ist nicht nichtig, sondern rechtswidrig. Ein Verstoß gegen Änderungsvorschriften führt nur zur Rechtswidrigkeit, aber nicht zur Nichtigkeit des entsprechenden Verwaltungsakts. Auch Mängel in der Begründung führen nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Rechtswidrigkeit. Ebenso ist ein Verwaltungsakt nicht nichtig, weil eine Schlussbesprechung bei einer Betriebsprüfung nicht durchgeführt worden ist. Ebenfalls nicht zur Nichtigkeit führt es, wenn die Erklärung von einer Person abgegeben wird, die nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist.
Die Nichtigkeit kann sich aber aus weiteren Aspekten ergeben, die zu einer Offenkundigkeit des Fehlers i. S. d. § 125 Abs. 1 AO führen. Nichtigkeit kann vorliegen, wenn die Änderung des Bescheids auf einem bewusst fehlerhaften Verhalten der Finanzbehörde zulasten des Stpfl. beruht. Davon kann aber nicht ausgegangen werden, wenn von einer – rechtlich im konkreten Fall nicht bindende – tatsächlichen Verständigung abgewichen wird.
Rz. 6
Leidet der Verwaltungsakt an einem Verfahrens- oder Formmangel, der an sich zur Nichtigkeit führt (z. B. Fehler in der Adressierung), so fehlt es dann an der "Offenkundigkeit" des Fehlers, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts (und schon vorher über eine längere Zeit) in Rspr., Verwaltung und Lit. eine Rechtsansicht vertreten wurde, wonach kein Verfahrens- oder Formfehler vorgelegen hätte.