Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 90
Die KfzSt ist eine Verkehrsteuer, keine Verbrauchsteuer. Die Aufhebung oder Änderung von KfzSt-Bescheiden richtet sich daher nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, nicht nach der für Verbrauchsteuern geltenden Vorschrift des § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO. Daher ist auch § 173 AO anwendbar, soweit § 12 Abs. 2 KfzStG keine Sonderregelung enthält.
Der Tatbestand der KfzSt wird durch das Halten eines Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen gebildet; es handelt sich also um einen Tatbestand, der sich nicht in einem bestimmten Zeitpunkt oder fest umrissenen Zeitraum erschöpft, sondern sich auf einen i. d. R. unbestimmten Zeitraum, den des Haltens, erstreckt. Es liegt also ein Dauertatbestand vor, dessen Dauer unbestimmt ist. Dementsprechend besteht die Steuerpflicht ebenfalls für eine unbestimmte Zeitdauer, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist. Die Steuer wird für einen unbefristeten Zeitraum festgesetzt. Der Kfz-Steuerbescheid wirkt also in die Zukunft; Wirkungsdauer und Zeitpunkt der Beendigung sind ungewiss, da der Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht nicht feststeht.
Rz. 91
Bei einem solchen, im Besteuerungssystem sonst unüblichen Steuerbescheid mit ungewisser Wirkungsdauer zur Regelung eines Dauertatbestands mit unbestimmtem Ende ist die Möglichkeit der Anpassung des Steuerbescheids an Änderungen der Verhältnisse sowie zur Beseitigung von Fehlern, die sonst unbestimmte Zeit fortwirken würden, von besonderer Bedeutung. Diese Regelung ist in § 12 Abs. 2 KfzStG enthalten.
Rz. 92
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 KfzStG erfasst den Fall, dass sich durch Änderung der Bemessungsgrundlage eine andere Steuer ergibt. Dies verhindert, dass bei Änderung der Bemessungsgrundlage die Steuer für die restliche Zeit der Steuerpflicht nach der alten Bemessungsgrundlage erhoben werden müsste. Die Änderung erfolgt rückwirkend auf den Zeitpunkt der Änderung der Bemessungsgrundlage, also nicht nur für Zeiträume nach Ergehen des Änderungsbescheids. Zu einer Berichtigung von Fehlern, die bei unveränderter Bemessungsgrundlage aufgedeckt werden, ermächtigt die Vorschrift nicht.
Rz. 93
§ 12 Abs. 2 Nr. 2 KfzStG umfasst mehrere Tatbestände:
- Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung, einer Steuerermäßigung oder der Nichterhebung der Steuer treten ein oder fallen weg. Dieser Änderungstatbestand ähnelt dem des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KfzStG, da auch er eine Anpassung an sich ändernde Verhältnisse ermöglicht, und wäre besser mit diesem zu einem umfassenden Tatbestand zusammengefasst worden.
- Es wird nachträglich festgestellt, dass eine Voraussetzung für eine Steuerbefreiung, eine Steuerermäßigung oder die Nichterhebung der Steuer nicht vorgelegen hat oder nicht vorliegt. In diesen Fällen haben sich die maßgeblichen Verhältnisse nicht geändert; der Bescheid ist fehlerhaft. Die Änderungsvorschrift soll verhindern, dass der Fehler unbestimmte Zeit in die Zukunft wirkt; § 12 Abs. 2 Nr. 2 KfzStG ermöglicht daher insoweit die Anpassung an die richtige Rechtslage. Auf Verschulden oder Verursachung des Fehlers kommt es nicht an, die Änderungsvorschrift greift daher auch ein, wenn die Behörde den Fehler verursacht hat. Auffällig ist, dass keine Regelung vorhanden ist, ab wann eine Neufestsetzung erfolgt. Hieraus schließt die Rechtsprechung , dass auch eine rückwirkende Neufestsetzung möglich ist; dies soll die besondere Fehleranfälligkeit des KfzSt-Verfahrens als Massenverfahren berücksichtigen. Eine Grenze bildet nur der Ablauf der Festsetzungsfrist.
Die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 KfzStG aufgeführten Steuersätze für schadstoffarme Fahrzeuge sind keine Steuerermäßigungen, sondern schadstofforientierte Regelsätze, die nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 2 KfzStG fallen.
Rz. 94
§ 12 Abs. 2 Nr. 3 KfzStG enthält die Möglichkeit, die Steuer neu festzusetzen (d. h. die Steuerfestsetzung aufzuheben), wenn die Steuerpflicht endet.
Rz. 95
§ 12 Abs. 2 Nr. 4 KfzStG ermöglicht die Beseitigung eines Fehlers in der Steuerfestsetzung. Die Vorschrift ähnelt § 22 Abs. 3 BewG. Zum Begriff des Fehlers vgl. daher Rz. 67. Die Berichtigung des Fehlers durch Änderung des Kfz-Steuerbescheids erfolgt mit Wirkung ab Beginn desjenigen Berichtigungszeitraums, in dem der Umstand, dass ein Fehler vorliegt, der zuständigen Behörde bekannt geworden ist; eine Berichtigung bis zur Fehlerquelle ist daher nicht zulässig. Führt die Berichtigung zu einer Erhöhung der Steuer, erfolgt sie zum Schutz des Stpfl. frühestens auf den Beginn des Entrichtungszeitraums, in dem der Änderungsbescheid ergeht. Bei der Berichtigung ist zum Schutz des Stpfl. auch § 176 AO anzuwenden. Beruht die Berichtigung auf einer geänderten Rechtsprechung, darf danach keine Berichtigung für Entrichtungszeiträume erfolgen, die vor der Verkündung des Urteils liegt. Die Berichtigung ist danach frühestens auf den Beginn des Entrichtungszeitraums möglich, in dessen Verlauf die Verkündung des Urteils erfolgt.
Rz. 96
§ 12 Abs. 2 Nr. 5 KfzStG enthält schließlich eine Änderungsvorschrift für den Fall, dass si...