Rz. 3
"Höhere Gewalt" ist ein außergewöhnliches Ereignis, das unter den gegebenen Umständen auch durch äußerste, nach der Lage der Sache durch den Betroffenen zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden kann und das die Geltendmachung des Anspruchs während der Verjährungsfrist sowie die Unterbrechung der Verjährungsfrist nach § 231 AO unmöglich macht. Das geringste eigene Verschulden des Gläubigers schließt höhere Gewalt aus. Dementsprechend muss durch die höhere Gewalt, die die Aufgabenwahrnehmung der Finanzbehörden einschränkt, die Möglichkeit den Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist hemmende Maßnahmen zu ergreifen, objektiv unmöglich geworden sein. Ist dies in einer solchen Situation deshalb unterblieben, weil die Finanzbehörde sich für die Wahrnehmung vorrangiger Aufgaben entschieden hat, tritt die Verjährungshemmung nach § 230 AO nicht ein. Der Tatbestand ist nur erfüllt, wenn die verjährungshemmende Maßnahme infolge des Ereignisses der höheren Gewalt unter keinen Umständen hätte vorgenommen werden können.
Rz. 4
Neben dem eigenen Mitverschulden des Gläubigers selbst, muss er sich auch das Mitverschulden seines Vertreters zurechnen lassen.
Rz. 5
Als höhere Gewalt kommen in Betracht Krieg, Naturkatastrophen, Unfall, plötzlich eintretende Krankheit, die jede Vorsorge verhindert, u. U. auch unrichtige Rechtsbelehrung durch die Finanzbehörde. Höhere Gewalt soll im Einzelfall auch in einer verzögerten oder gescheiterten Postbeförderung zu sehen sein können. Dem wird man m. E. aber nur in ganz außergewöhnlichen Sachverhaltskonstellationen folgen können. Zudem wird man auch in diesem Fall ein Mitverschulden desjenigen, der die Postbeförderung in Auftrag gegeben hat, an der verzögerten oder gescheiterten Zustellung ausschließen müssen.
Unkenntnis und unrichtige Rechtsauffassung sind grundsätzlich keine höhere Gewalt, auch nicht, wenn sie auf einem Ereignis beruhen, das höhere Gewalt darstellt. Beruht z. B. die Unkenntnis auf Vernichtung von Unterlagen durch höhere Gewalt, ist die Verjährung nicht gehemmt.
Rz. 6
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Stpfl. stellt für sich gesehen keine höhere Gewalt dar. Vielmehr unterbrechen erst Handlungen während des Insolvenzverfahrens nach § 231 Abs. 1 Nr. 4 ff. AO die Zahlungsverjährung. Allerdings wird man die Anfechtung einer erfolgten Steuerzahlung durch den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren gegenüber dem FA als höhere Gewalt ansehen müssen, da dieses bis zur Rechtskraft des Anfechtungsurteils nicht handlungsfähig ist.