Rz. 1
Vorgängerbestimmung war § 350 RAO. Die Vorschrift verweist auf §§ 811–813 ZPO sowie § 882a ZPO, die insbesondere Pfändungsverbote für die Vollstreckung in Sachen sowie die Möglichkeiten einer Austausch- bzw. Vorwegpfändung regeln. Der Verweis wurde mit Wirkung ab 1.12.2021 durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes um § 882a Abs. 4 ZPO erweitert. Folgeänderungen ergeben sich durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Ergänzende Ausführungen zur Regelung finden sich in Abschn. 33–38 VollzA. Die Bestimmung ist die grundlegende Norm für die Beschränkung der Vollstreckung in Sachen. Sie bezweckt insbesondere den Schutz des Vollstreckungsschuldners und ist Ausfluss des allgemeinen Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Durch den Verweis auf die Bestimmungen der ZPO wird zudem sichergestellt, dass die Finanzbehörden als Vollstreckungsgläubiger nicht besser gestellt werden als die privaten Gläubiger des Vollstreckungsschuldners. An die Stelle des Vollstreckungsgerichts tritt dabei im Vollstreckungsverfahren nach der AO die Vollstreckungsbehörde.
Rz. 2
Konkretisiert wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit durch das Verbot der sog. Kahlpfändung. Dem Schuldner sollen trotz der Pfändung die Mittel für eine bescheidene Lebensführung verbleiben. Die Pfändungsverbote sind eine zwingende öffentlich-rechtliche Schranke der staatlichen Vollstreckungsgewalt im Interesse der Grundrechte des Schuldners. Gleichzeitig dienen die Pfändungsverbote aber auch dem Schutz der Allgemeinheit, da ein Schuldner, dem die Lebensgrundlagen weggepfändet werden würden, aufgrund des Sozialstaatsgedankens von der Allgemeinheit zu unterhalten wäre. Auf seinen Pfändungsschutz kann der Schuldner deshalb auch nicht verzichten Allerdings hat die praktische Bedeutung der Bestimmung in den letzten Jahrzehnten abgenommen, da eine Sachpfändung in vielen Bereichen nicht mehr praktikabel ist. Wertvolle Sachen stehen oftmals unter Eigentumsvorbehalt und Massengegenstände lassen sich vielfach kaum angemessen verwerten. Da die Pfändungsschutzbestimmungen zumindest in Teilen nicht mehr die Lebens- und Arbeitswelt des 21. Jahrhundert widerspiegeln, wird seit geraumer Zeit an einer grundlegenden Änderung gearbeitet. Allerdings ist derzeit immer noch nicht absehbar, wann das Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes (GNeuMoP) abgeschlossen sein wird. Sinnvoll ist eine grundlegende Überarbeitung in jedem Fall.
Rz. 3
Die Schutzvorschriften gelten grundsätzlich nicht für Surrogate der unpfändbaren Sache, also z. B. Geld aus der Veräußerung eines solchen Gegenstands durch den Vollstreckungsschuldner. Maßgebend für die Frage der Unpfändbarkeit sind allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Pfändung. Der spätere Eintritt der Unpfändbarkeit führt nicht zu einem Wegfall oder der Unwirksamkeit der Pfändung. Wird eine zunächst unpfändbare Sache später pfändbar, führt dies nicht zur Heilung einer zunächst unrechtmäßig durchgeführten Pfändung. Der Gesetzgeber hat für diesen Fall ausdrücklich das Instrument der Vorwegpfändung vorgesehen.