Rz. 2

§ 300 Abs. 1 AO trifft eine Legaldefinition für das Mindestgebot. Das Mindestgebot muss demnach mindestens die Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswerts erreichen. Der Zuschlag darf nur dann erteilt werden, wenn dieses Mindestgebot erreicht ist. Der gewöhnliche Verkaufswert ist dabei der im freien Verkehr am Ort für Sachen gleicher Art und Güte durchschnittlich erzielbare Preis.[1] Dabei ist dieser Wert von der Vollstreckungsbehörde im Weg der sachgerechten Schätzung zu ermitteln.[2] Nur in besonders gelagerten Fällen ist ein Sachverständiger zur Ermittlung des Werts hinzuzuziehen. Zu denken ist an die Zuziehung von Sachverständigen insbesondere bei der Verwertung von Kunstwerken und Kostbarkeiten sowie Sachen aus Gold oder Silber.[3]

 

Rz. 3

Das Mindestgebot und der gewöhnliche Verkaufswert sollen beim Ausbieten bekannt gegeben werden. Hierdurch sollen Interessenten in die Lage versetzt werden, sich über die Gebote zu informieren, die in Betracht kommen.[4] Es handelt sich hierbei um eine Soll-Bestimmung, sodass ein Unterlassen nicht zu einer Unwirksamkeit der Versteigerung führen kann. Ein Unterlassen der Bekanntgabe kann aber im Einzelfall Schadensersatzansprüche auslösen.[5]

 

Rz. 4

Lediglich in zwei Fällen kann von der Einhaltung des Mindestgebots abgesehen werden, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zöge.[6] Zum einen wird man es als möglich ansehen können, dass alle Beteiligten auf die Anwendung der Schutzbestimmung verzichten.[7] Zum anderen muss es aus dem Sinn und Zweck des Vollstreckungsrechts nach der AO möglich sein, auf die Einhaltung des Mindestgebots zu verzichten, wenn dieses zu einem erheblichen Wertverlust der Sache oder unverhältnismäßigen Aufwendungen führt. Diese Fälle, in denen nach § 298 Abs. 1 AO ein Verzicht auf die Wochenfrist zulässig ist, müssen es auch rechtfertigen, dass auf die Einhaltung des Mindestgebots verzichtet wird.[8]

[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 6.
[4] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 9.
[5] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 300 AO Rz. 3.
[6] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 11.
[7] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 300 AO Rz. 11; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 300 Rz. 2.

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