1 Allgemeines
Rz. 1
Die Vorgängerbestimmung des § 312 AO war § 363 RAO. Für das zivilprozessuale Vollstreckungsrecht ist § 831 ZPO die entsprechende Bestimmung. Die Norm beinhaltet spezielle Regelungen, die auf den Besonderheiten indossabler Wertpapiere beruhen. Forderungen und andere Vermögensrechte werden grundsätzlich nach den §§ 309ff. AO gepfändet. Dies gilt jedoch nicht für Forderungen, die in Wertpapieren verbrieft sind. Bei diesen wird die Geltendmachung des verbrieften Anspruchs mit dem Besitz des Papiers verknüpft. Im Rechtsverkehr ist also der Papierbesitz das ausschlaggebende Merkmal, sodass auch vollstreckungsrechtlich die Ansprüche aus Wertpapieren wie bewegliche Sachen behandelt werden. Die Pfändung des Rechts erfolgt deshalb durch Inbesitznahme der das Recht verkörpernden Urkunde.
Rz. 2
Diese allgemeine rechtliche Behandlung der Forderungen aus Wertpapieren wird durch § 312 AO für Orderpapiere lediglich wiederholt. Die Bedeutung dieser Vorschrift liegt aber im Bereich der Verwertung. Grundsätzlich erfolgt auch die Verwertung von Wertpapieren nach den für bewegliche Sachen geltenden Bestimmungen. Aus der systematischen Stellung des § 310 AO heraus ist aber zu schließen, dass diese Verwertungsform für die hier genannten Forderungen nicht gelten soll. Die Verwertung dieser Rechte erfolgt nach §§ 314, 317 AO.
2 Pfändung indossabler Papiere
2.1 Erfasste Wertpapiere
Rz. 3
Die Vorschrift des § 312 AO gilt für Wechsel und andere Orderpapiere, d. h. solche Wertpapiere, die durch Indossament übertragen werden. Zu unterscheiden sind hier die "geborenen" Orderpapiere und die "gekorenen" Orderpapiere, dies sind die kaufmännischen Orderpapiere des § 363 HGB. Letztere bedürfen der ausdrücklichen Orderklausel, um Orderpapiere zu werden. Fehlt diese Orderklausel oder ist sie später gestrichen worden, so sind diese Papiere rechtlich nur Namenspapiere. Bei den "geborenen" Orderpapieren ist die Streichung der Orderklausel rechtlich irrelevant.
Rz. 4
Aus der Stellung des § 312 AO im Gesetz und aus der Formulierung der Vorschrift ergibt sich ferner, dass nur Orderpapiere nach den Vorschriften über die Vollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte zu verwerten sind, die eine Geldleistung verkörpern. § 312 AO ist ausschließlich als Spezialvorschrift zu § 309 AO zu sehen, der nur die Geldforderungen betrifft. Forderungen aus Wechseln sind auch stets Geldforderungen. Die Gleichstellung der "anderen Papiere" mit dem Wechsel ist nur dann gegeben, wenn sie insoweit vergleichbar sind, d. h. ebenfalls auf eine Geldleistung lauten. Orderpapiere, die andere Rechte verbriefen, werden verwertet wie andere Wertpapiere auch (s. Rz. 2).
2.2 Durchführung der Pfändung
Rz. 5
Die Pfändung der Wechsel und der gleichgestellten Orderpapiere erfolgt nach dem Wortlaut des § 312 AO ausschließlich durch Inbesitznahme seitens des Vollziehungsbeamten. Der Vollziehungsbeamte muss also die tatsächliche Sachherrschaft über das Papier erlangen. Die Pfändung ist unwirksam, wenn der Vollstreckungsschuldner im Besitz der Urkunde verbleibt. Mit der Pfändung des Papiers wird zugleich die verbriefte Forderung gepfändet. Ist bei einem kaufmännischen Orderpapier eine Ware verbrieft (Konnossement, Ladeschein, Lagerschein), so erstreckt sich die Pfändung auf die Ware, wenn diese herausgegeben wird. Eine Pfändung des Herausgabeanspruchs ist überflüssig, aber unschädlich, wenn die Ware herausgegeben wird.
2.3 Verwertung
Rz. 6
Die Verwertung von indossablen Wertpapieren erfordert eine Einziehungsverfügung bzw. die Anordnung anderweitiger Verwertung. Bei der Vorlage eines Wechsels hat die Vollstreckungsbehörde für den rechtzeitigen Protest zu sorgen. Wegen des Verhaltens des Drittschuldners bei mehrfacher Pfändung s. Erl. zu § 320 AO.
3 Rechtsbehelf
Rz. 7
Bei der Inbesitznahme durch den Vollziehungsbeamten im Rahmen einer Pfändung von indossablen Wertpapieren handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Diese Pfändungsmaßnahme ist deshalb mit dem Einspruch nach den ...