Rz. 2
Das Verwertungsrecht der Finanzbehörde nach § 327 AO setzt voraus, dass der Finanzbehörde eine im Verwaltungsverfahren vollstreckbare Geldforderung zusteht, für die sie eine Sicherheit erlangt hat und die noch nicht erfüllt ist.
Vollstreckbarkeit i. d. S. bedeutet nach § 327 S. 1 AO zunächst, dass die Finanzbehörde das Vollstreckungsverfahren nach den §§ 249–253 AO betreiben kann. Hiernach können nur Forderungen vollstreckt werden, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Sonstige Ansprüche werden nach §§ 328ff. AO vollstreckt. Die Anwendung von § 327 AO kommt also nur dann in Betracht, wenn die sonstigen Forderungen in eine Geldforderung übergegangen sind und die Sicherheit dann für diese Geldforderung bestellt worden ist.
Nach den §§ 249–323 AO können nur öffentlich-rechtliche Geldforderungen vollstreckt werden, die von der Finanzbehörde durch einen Verwaltungsakt festgesetzt worden sind bzw. durch eine Steueranmeldung nach § 168 AO als festgesetzt gelten. Die Verwertung von Sicherheiten für zivilrechtliche Ansprüche, z. B. bei der Bestellung von Sicherheiten durch andere Personen als den Vollstreckungsschuldner, der Finanzbehörde kommt nur über das zivilrechtliche Verfahren in Betracht.
Rz. 3
Geldforderungen i. d. S. sind, wie für den Arrest, zunächst alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Hierzu zählen z. B. Ansprüche auf
- Steuern,
- steuerliche Nebenleistungen i. S. v. § 3 Abs. 4 AO,
- Haftungsansprüche und auch – als Unterfall der Haftung – Ansprüche auf
- Duldung der Befriedigung aus einem Gegenstand wegen eines Anspruchs aus einem Steuerschuldverhältnis sowie Ansprüche auf
- Rückgewähr unberechtigt erfüllter Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis.
Geldforderungen i. d. S. sind ferner auch im Steuerordnungswidrigkeitenverfahren festgesetzte Bußgelder, die Kosten des Bußgeldverfahrens (§ 412 Abs. 3 AO) sowie die Kosten und Ordnungsgelder des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Rz. 4
Für die vollstreckbare Geldforderung muss die Vollziehbarkeit nach § 251 Abs. 1 AO gegeben sein. Die Geldforderung darf also einerseits nicht durch ein Insolvenzverfahren betroffen sein (§ 251 Abs. 2 AO). Zum anderen darf nach § 251 Abs. 1 AO die Vollziehbarkeit nicht aufgrund der Einlegung eines Einspruchs oder der Erhebung der finanzgerichtlichen Klage durch die gewährte Aussetzung der Vollziehung ausgeschlossen sein.
Rz. 5
Ferner darf nach § 327 S. 1 AO die vollziehbare Forderung noch nicht erfüllt, also nach § 47 AO nicht erloschen sein. Ist die gesicherte Forderung erloschen, so ist wegen der Akzessorietät auch das Verwertungsrecht erloschen. Die Finanzbehörde kann die Sicherheit nicht für andere Ansprüche verwerten.
Rz. 5a
Für die noch nicht erfüllte, vollziehbare Forderung muss nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 327 Abs. 1 S. 1 AO die Fälligkeit gegeben sein.
Sofern nicht gem. § 220 Abs. 1 AO i. V. m. dem jeweiligen Steuergesetz eine gesetzliche Fälligkeit gegeben ist, tritt die Fälligkeit für einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 220 Abs. 2 AO frühestens mit Bekanntgabe des den Anspruch festsetzenden Bescheids ein, es sei denn, dass nach § 254 AO ein Leistungsgebot mit Fristsetzung erforderlich ist. Hiernach bedarf es für die Begründung der Fälligkeit nur dann keines Leistungsgebots, wenn die Geldleistung aufgrund einer Steueranmeldung geschuldet wird, oder es sich um Säumniszuschläge, Zinsen bzw. Vollstreckungskosten handelt. Da ansonsten das Leistungsgebot Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit ist, kann die Verwertungsankündigung nach § 327 AO das Leistungsgebot entgegen der h. M. nicht ersetzen, zumal sie von ihrem Zweck her auch nur eine Pfändung oder Beschlagnahme erübrigen soll.
Die Fälligkeit darf zudem nicht durch Stundung (§ 222 AO) oder Zahlungsaufschub (§ 223 AO) hinausgeschoben sein.