Rz. 25
Ein rechtlicher Grund für die Zahlung oder Rückzahlung besteht, wenn im Zeitpunkt der Leistung zwischen den daran Beteiligten ein Anspruch auf die Zahlung oder Rückzahlung besteht. Dies ist der Fall,
- wenn der Anspruch entstanden und noch nicht wieder erloschen ist,
- wenn der Empfänger zur Einziehung des Anspruchs berechtigt ist,
- soweit derjenige, auf dessen Rechnung die Leistung erfolgt, zur Erfüllung des Anspruchs verpflichtet ist, und
- wenn die Zahlung oder Rückzahlung auf diesen Anspruch erfolgt.
Rz. 26
Umstritten ist, ob es für das Bestehen des Anspruchs auf die materielle Rechtslage oder auf die formelle Bescheidlage ankommt. Nach der materiellen Rechtsgrundtheorie kommt es unabhängig von der Bescheidlage auf die materiellrechtliche Lage an, d. h. darauf, ob der Anspruch durch Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, entstanden und noch nicht wieder erloschen ist. Demgegenüber ist nach der sog. formellen Rechtsgrundtheorie die Bescheidlage unabhängig davon maßgebend, ob sie mit dem materiellen Recht in Einklang steht oder nicht.
Die Rspr. des BFH ist uneinheitlich. Zum Teil sieht der BFH den Rechtsgrund der Zahlung oder Rückzahlung ohne weitere Begründung in dem Steuerbescheid oder sonstigen Verwaltungsakt, der nach § 218 Abs. 1 AO die Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis bildet. In anderen Entscheidungen lässt der BFH die Frage offen. Zum Teil stellt der BFH für die Entstehung des Erstattunganspruchs aber auch auf die materielle Rechtslage ab. Auch die FinVerw. geht von der materiellen Rechtsgrundtheorie aus.
Rz. 27
Keine der beiden Theorien vermag zu in jeder Hinsicht zutreffenden Auslegungsergebnissen zu führen. Für die materielle Rechtsgrundtheorie spricht, dass die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis mit der Verwirklichung des Tatbestands entstehen, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. In der Regel begründen die zu ihrer Verwirklichung erlassenen Verwaltungsakte den Zahlungsanspruch nicht, sondern stellen diesen lediglich fest und bilden damit die formelle Grundlage für seine Durchsetzung. Nur ausnahmsweise ist die Vollendung des Entstehungsgrunds von der Festsetzung des Anspruchs abhängig.
Dementsprechend stellt der BFH für die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Erstattungsanspruch i. S. v. § 46 Abs. 2 AO entstanden ist und wirksam abgetreten werden kann, allein auf die materiellrechtlichen Verhältnisse ab.
Andererseits kann auch die materielle Rechtsgrundtheorie die das Steuerrecht – wie das Verwaltungsrecht allgemein – prägende Verzahnung zwischen materiellem und formellem Recht nicht ignorieren. Die Rechte und Pflichten, die sich aus der im Gesetz getroffenen abstrakt-generellen Regelung ergeben, werden durch die zur ihrer Verwirklichung erlassenen Verwaltungsakte konkretisiert. Solange diese Verwaltungsakte wirksam sind, treffen sie eine für die Beteiligten des Steuerschuldverhältnisses verbindliche Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis entstanden ist. Die Verwirklichung des Erstattungsanspruchs setzt daher stets voraus, dass ein dem materiellen Recht widersprechender Verwaltungsakt i. S. d. § 218 Abs. 1 AO noch geändert werden kann und tatsächlich geändert wird. Entsprechendes gilt für Steueranmeldungen, die nach § 168 S. 1 AO Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen.
Auch § 171 Abs. 14 AO, wonach die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht endet, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht verjährt ist, ist im Sinne der formellen Rechtsgrundtheorie auszulegen; denn der Gesetzgeber hat bei der Einführung der Regelung die Zahlung auf einen unwirksam bekannt gegebenen Steuerbescheid (ungeachtet des bestehenden materiellen Steueranspruchs) als rechtsgrundlose Zahlung angesehen, die unmittelbar einen Erstattungsanspruch des Stpfl. begründet. Maßgeblich ist danach, dass es für die Zahlung des Stpfl. an einem formalen Rechtsgrund in Gestalt eines wirksamen Steuerbescheids fehlt.
Rz. 28
Zur Einziehung berechtigt ist grundsätzlich der Inhaber des Anspruchs, d. h. derjenige, in dessen Person der Anspruch entstanden ist oder an den er nach seiner Entstehung von dem Berechtigten abgetreten worden ist. Im Fall der Verpfändung des Anspruchs auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und Steuervergütungen ist nach Eintritt der Pfandreife der Pfandgläubiger bis zur Höhe des durch das Pfandrecht gesicherten Anspruchs zur Einziehung der Forderung berechtigt und kann der Schuldner nur an ihn leisten. Entsprechendes gilt in den Fällen der Pfändung und Überweisung der entsprechenden Ansprüche. Durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird zwar nicht die Forderung selbst, aber die Erfüllungszuständigkeit auf den Pfändungsgläubiger übertragen. Im Fall der Insolvenz verliert der Schuldner mit der...