Rz. 37
Auf die durch die Steuerhinterziehung ausgelösten steuerrechtlichen Folgen hat die Straffreiheit aufgrund einer Selbstanzeige keinen Einfluss, da diese generell nicht an eine Ahndung der Steuerhinterziehung anknüpft, sondern an die objektive und subjektive Verwirklichung des Straftatbestands des § 370 AO. Diese Verwirklichung des Straftatbestands ist eine selbstständige Besteuerungsgrundlage, über die die Finanzbehörde bzw. die Finanzgerichte in eigener Kompetenz zu entscheiden haben. Sie sind nicht an die Entscheidungen der Strafverfolgungsorgane, wie auch umgekehrt diese nicht an die der Finanzbehörden, gebunden.
Rz. 38
Die Selbstanzeige hindert also nicht die Geltendmachung der Steueransprüche und der Haftungsansprüche infolge der Steuerhinterziehung. Auch die Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen bleiben durch die Selbstanzeige unberührt, diese hindert also nicht die Festsetzung von Verspätungs- oder Säumniszuschlägen bei der verspäteten Abgabe der Steuererklärung. Der Zinsanspruch ist seit dem 1.1.2015 durch die geänderte Fassung des § 371 Abs. 3 AO unmittelbar geschützt, da die Entrichtung Voraussetzung der Straffreiheit ist.
Rz. 39
Die Verlängerung der Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung auf zehn Jahre oder wegen leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf Jahre entfällt nicht dadurch, dass der Stpfl. seine unrichtigen Angaben vor Ablauf der normalen Festsetzungsfrist von vier Jahren berichtigt. Die Selbstanzeige bewirkt im Übrigen gem. § 171 Abs. 9 AO eine Verlängerung der Steuerfestsetzungsfrist durch eine einjährige Ablaufhemmung. Hiernach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang einer Selbstanzeigeerklärung. Maßgeblich ist der Eingang bei der örtlich und sachlich zuständigen Finanzbehörde. Die Ablaufhemmung setzt keine strafrechtlich wirksame Selbstanzeige voraus, sondern sie beginnt, wenn die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann, der Stpfl. also Steuerart und Veranlagungszeitraum benennt und den Sachverhalt so schildert, dass der Gegenstand der Anzeige erkennbar wird. Ab diesem Zeitpunkt kann die Finanzbehörde aufgrund der ausreichenden Konkretisierung eigene Ermittlungen anstellen und die Besteuerungsgrundlagen erforderlichenfalls schätzen. Folglich tritt i. d. R. die Anlaufhemmung bei der Selbstanzeige früher ein als die strafbefreiende Wirkung, die noch von der Nachzahlung gem. § 371 Abs. 3 AO abhängig ist.
Der Ablauf der Festsetzungsverjährung ist nur für die angezeigten Steueransprüche gehemmt.
Die durch die Abgabe einer Selbstanzeige nach § 171 Abs. 9 AO ausgelöste Ablaufhemmung kann durch Ermittlungen der Steuerfahndung, mit denen noch vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist begonnen wurde, nach § 171 Abs. 5 AO verlängert werden. Hingegen kann der zeitlich auf ein Jahr begrenzte Umfang der durch Erstattung einer Selbstanzeige ausgelösten Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 9 AO durch Steuerfahndungsermittlungen, die erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist von zehn Jahren aufgenommen wurden, nicht mehr erweitert werden. Anderenfalls müsste die erforderliche Überprüfung und Auswertung der Selbstanzeige nicht innerhalb der vom Gesetzgeber eigens hierfür vorgesehenen und als ausreichend erachteten Auswertungsfrist des § 171 Abs. 9 AO stattfinden, sondern lediglich in den – nur vom Rechtsinstitut der Verwirkung gezogenen – zeitlichen Grenzen des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO.