Rz. 93
Gesamthandsgemeinschaften sind Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, bei denen die Gemeinschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Träger der Rechte und Pflichten aus den die Gesamthand betreffenden Rechtsverhältnissen sind. Das Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft stellt Sondervermögen dar, über das die Gesamthänder nur gemeinschaftlich verfügen können. Über ihre Anteile an den einzelnen zum Gesamthandsvermögen gehörenden Gegenständen können die Gesamthänder anders als bei einer Bruchteilsgemeinschaft nicht verfügen. In Betracht kommt allenfalls eine Verfügung über den Anteil an der Gesamthand als Ganzes, soweit diese – wie im Fall der Erbengemeinschaft- gesetzlich zugelassen ist.
Gesamthandsgemeinschaften gibt es nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen. Nach geltendem Recht bilden nur noch das Gesamtgut der Gütergemeinschaft und der fortgesetzten Gütergemeinschaft sowie die Erbengemeinschaft Gesamthandsgemeinschaften.
Rz. 94
Bis zum 31.12.2023 waren auch die Personengesellschaften des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts – also die GbR, die oHG und die KG- als Gesamthandsgemeinschaften verfasst. Das Gleiche galt für die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWiV) und die Partnerschaftsgesellschaft, auf die die für die oHG bzw. die GbR geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind.
Durch das zum 1.1.2024 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 10.8.2021 wurde das Gesamthandsprinzip für die Personengesellschaften aufgegeben. Seitdem können Personengesellschaften, die nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen sollen (rechtsfähige Personengesellschaften), als solche Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Ist der Gegenstand der Gesellschaft der Betrieb eines Unternehmens unter gemeinschaftlichem Namen, so wird vermutet, dass die Gesellschaft nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt. Beiträge der Gesellschafter sowie die für oder durch die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten sind bei rechtsfähigen Personengesellschaften Vermögen der Gesellschaft. Von den rechtsfähigen Personengesellschaften sind die nicht rechtsfähigen Personengesellschaften zu unterscheiden, die den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen.
Durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz v. 22.12.2023 wurde der Wortlaut des § 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 AO an die Änderung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften angepasst. Die nicht mehr unter den Begriff der Gesamthand fallenden rechtsfähigen Personengesellschaften wurden mit Wirkung vom 1.1.2024 ausdrücklich in den Kreis der unter § 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 AO fallenden Rechtsträger aufgenommen. § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO i. d. F. des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes zählt sie unter den rechtsfähigen Personenvereinigungen auf. Auf nicht rechtsfähige Personengesellschaften ist § 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 AO nicht anwendbar, weil diese sich nach der Legaldefinition des § 705 Abs. 2, 2. Variante BGB auf die Regelung der Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander beschränken und damit über kein gemeinschaftliches Vermögen verfügen, das den einzelnen Gesellschaftern anteilig zugerechnet werden könnte.
Rz. 95 einstweilen frei.