1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Verfolgung von Straftaten obliegt nach §§ 152 Abs. 2, 160 StPO grundsätzlich der Staatsanwaltschaft. Die praktische Durchführung kann sie entweder selbst vornehmen oder sich dafür ihrer Ermittlungspersonen[1], regelmäßig Bediensteten der Polizeibehörden[2] bedienen. Dieses Ermittlungsmonopol der Staatsanwaltschaft erfährt im Bereich der Steuerstraftaten[3] dahingehend eine Ergänzung, dass die staatsanwaltschaftliche Ermittlungskompetenz nach § 386 Abs. 1 AO i. d. R. bei der Finanzbehörde liegt.[4] Die Staatsanwaltschaft bleibt allerdings weiterhin Herrin des Verfahrens und ist berechtigt, das Verfahren jederzeit an sich zu ziehen und in eigener Zuständigkeit zu führen.[5] Daneben gibt die Finanzbehörde das Verfahren in den in § 386 AO Abs. 3 und 4 AO[6] genannten Fällen an die Staatsanwaltschaft ab. § 402 AO regelt – neben § 403 AO – die allgemeinen Rechte und Pflichten der Finanzbehörde im Verfahren der Staatsanwaltschaft, in denen abweichend von der Grundregel des § 386 Abs. 1, 2 AO nicht die Finanzbehörde das Strafverfahren in eigener Zuständigkeit führt. Danach stehen der sonst zuständigen Finanzbehörde dieselben Rechte und Pflichten des Polizeivollzugsdienstes nach der StPO sowie die Befugnisse nach § 399 Abs. 2 S. 2 AO zu. So wie bei der Steuerfahndung und den Behörden des Zollfahndungsdienstes[7] bedeutet dies, dass die Bediensteten der sonst zuständigen Finanzbehörde damit weitgehend die Rechte und Pflichten der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft haben.[8] Bei der sonst zuständigen Finanzbehörde handelt es sich um die für die Verfolgung von Steuerstraftaten zuständige Verwaltungseinheit, während die in Abs. 2 erwähnte Finanzbehörde auf die für die Steuerfestsetzung zuständige Stelle abstellt.

 

Rz. 2

Gibt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gem. § 386 Abs. 4 S. 3 AO im Einvernehmen mit der Finanzbehörde an diese zurück, so erlangt diese wieder ihre Stellung als "Steuerstaatsanwaltschaft"[9] mit den Rechten und Pflichten nach §§ 399ff. AO. §§ 402, 403 AO sind dann nicht mehr anwendbar.

[2] Wer genau zum Kreis der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft gehört, regeln jeweilige Rechtsverordnungen der Länder, aufgelistet bei Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 152 GVG Rz. 6.
[4] Finanzbehörden i. d. S. sind gem. § 386 Abs. 1 S. 2 AO das Hauptzollamt, das FA, dort in der Regel die BuStra, das BZSt und die Familienkasse.
[6] Nr. 22 AStBV (St) 2020.
[7] Deren Aufgaben und Befugnisse ergeben sich aus §§ 208, 208a, 404 AO.
[8] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 402 AO Rz. 2; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 402 AO Rz. 11, der davon ausgeht, dass die Bediensteten der sonst zuständigen Finanzbehörde damit Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind und nicht nur deren Rechte und Pflichten haben, a. A. Zanzinger, in Leopold/Madle/Rader, AO-Praktikerkommentar, § 402 AO Rz. 5.

2 Rechtsstellung der Finanzbehörde (Abs. 1)

2.1 Reichweite

 

Rz. 3

§ 402 AO gilt sowohl für das Steuerstrafverfahren, als auch gem. § 410 Abs. 1 Nr. 8 AO für das Verfahren bei Steuerordnungswidrigkeiten.[1] Führt die Staatsanwaltschaft ein Verfahren, das weder ausschließlich Steuerstraftaten noch solche im Rahmen einer prozessualen Tat i. S. d. § 264 StPO mit einem Allgemeindelikt betrifft, so wird eine Zuständigkeit der Finanzbehörde nach § 402 AO nicht begründet.[2]

 

Rz. 4

Die Rechte und Pflichten aus § 402 AO der sonst zuständigen Finanzbehörden, i. d. R. die jeweilige BuStra[3], sind jedenfalls in den Fällen anwendbar, in denen es um die Ermittlung einer Steuerstraftat geht. Die Steuerstraftaten sind abschließend in § 369 AO aufgelistet.

 

Rz. 5

Die Ermittlungskompetenz der BuStra endet jedoch nicht bei den Steuerstraftaten. Die Staatsanwaltschaft kann sie ferner damit beauftragen, Allgemeindelikte zu erforschen, die im Rahmen einer prozessualen Tat[4] mit der Steuerstraftat begangen worden sind.[5] Am häufigsten ist dies bei Urkundenfälschung[6] der Fall, mit deren Hilfe die Steuerverkürzung bewirkt wird. Dies gilt sowohl in dem Fall, in dem die falsche oder unechte Urkunde zusammen mit der Steuererklärung abgegeben wird[7], als auch dann, wenn sie zeitlich erst später, z. B. auf Beleganfrage des FA, nachgereicht wird.[8] Ferner hat die BuStra das Recht zur Einleitung des Strafverfahrens für Allgemeindelikte, die gemeinsam mit einer Steuerstraftat im Rahmen einer prozessualen Tat begangen worden sind.[9] In der Folge haben die Ermittlungen der BuStra unter den Voraussetzungen des § 78c StGB Unterbrechungswirkung für alle Taten innerhalb der mit der Steuerverkürzung in prozessualer Tat begangenen Allgemeindelikte.[10]

[1] Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 410 AO Rz. 96f.
[2] Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 402 Rz. 2.
[3] Bußgeld- und Strafsachenstelle, in einigen Bundesländern auch StraBu genannt.
[4] § 264 StPO; der BGH v. 24.10.1989, 5 StR 238/89, wistra 1990, 59, be...

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