Rz. 63
Bereits mit Eingang des Ablehnungsgesuchs oder der Selbstablehnungsanzeige besteht zunächst ein eingeschränktes Mitwirkungsverbot. Die betroffene Gerichtsperson darf nach § 47 Abs. 1 ZPO vor Erledigung des Gesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten. Dies sind z. B. sitzungspolizeiliche Anordnungen und die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens. Dieses vorläufige Handlungsverbot beginnt mit der Anbringung des Gesuchs und endet mit seiner rechtskräftigen Erledigung. Amtshandlungen des betroffenen Richters vor Eingang des Ablehnungsgesuchs bleiben hingegen rechtswirksam. Eine zulässig eingelegte Anhörungsrüge schiebt trotz Eintretens der Rechtskraft das Ende des Handlungsverbots hinaus. Die Verpflichtung zur Enthaltung von weiteren Amtshandlungen wirkt allerdings nur konkret-verfahrensbezogen, d. h. sie besteht nur in dem jeweiligen Verfahren, in dem der Antrag gestellt wurde. Sind mehrere Verfahren anhängig, muss der Antrag daher grundsätzlich in jedem dieser Verfahren gestellt werden. Gegen das Handlungsverbot verstoßende Amtshandlungen sind nicht unwirksam, führen aber zu einem Verfahrensfehler, der u. U. einen selbständigen Ablehnungsgrund begründen kann. Sie werden durch Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs geheilt.
Rz. 64
Wird ein Richter erst während der mündlichen Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann nach § 47 Abs. 2 ZPO der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Die Regelung soll missbräuchlichen, nur der Verzögerung dienenden Ablehnungsgesuchen vorbeugen und Vertagungen bei letztlich unbegründeten Ablehnungen vermeiden. Es besteht folglich eine gegenüber § 47 Abs. 1 ZPO erweiterte Handlungsbefugnis des abgelehnten Richters. So kann dieser grundsätzlich bis zum Schluss der begonnenen Verhandlung alle Handlungen der formellen und materiellen Prozessleitung vornehmen und entsprechende prozessleitende Entscheidungen treffen. Die Regelung des § 47 Abs. 2 ZPO gestattet aber kein Tätigwerden in einem neu anzuberaumenden Fortsetzungstermin, keine außerhalb der mündlichen Verhandlung vorzunehmenden Amtshandlungen und keine endgültigen Sachentscheidungen wie den Erlass eines Endurteils. Wird dem Ablehnungsgesuch später stattgegeben, ist der nach Anbringung des Gesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen. Die Verhandlung kann in diesem Fall aufgrund des festgestellten Verfahrensmangels der Mitwirkung eines mit Erfolg abgelehnten Richters keine Entscheidungsgrundlage sein. Prozesshandlungen der Parteien bleiben hingegen wirksam.
Rz. 65
Im Falle der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs dürfen die unter Beteiligung des abgelehnten Richters gewonnenen Ergebnisse der Verhandlung zur Grundlage der Endentscheidung gemacht werden; denn eine verfahrensfehlerhafte Verhandlung hat rückwirkend nicht stattgefunden. Mit der Bekanntgabe des zurückweisenden Beschlusses ist die betroffene Gerichtsperson vollumfänglich zur weiteren Mitwirkung im Verfahren befugt und auch verpflichtet.
Rz. 66
Wird ein Richter hingegen nach den Vorschriften des § 51 FGO i. V. m. §§ 42 ff. ZPO erfolgreich abgelehnt, treten dieselben Wirkungen ein wie bei der Ausschließung einer Gerichtsperson. Der abgelehnte Richter ist fortan ebenso wie ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter von jeglicher Mitwirkung im Verfahren ausgenommen. An seine Stelle tritt sein geschäftsplanmäßiger Vertreter. Dies gilt auch für den Fall der Übertragung der Entscheidung auf den Einzelrichter und auch dann, wenn in dem ursprünglichen Übertragungsbeschluss der Einzelrichter namentlich benannt war. Amtshandlungen des abgelehnten Richters sind, soweit sie nicht nach § 47 ZPO gestattet waren, zu wiederholen. Unter Beteiligung des abgelehnten Richters getroffene Entscheidungen begründen wegen des Besetzungsmangels einen zur Revisionszulassung und Aufhebung des Urteils führenden Verfahrensmangel.