Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 4
Nach Abs. 1 ist Wiedereinsetzung bei der Versäumung gesetzlicher Fristen möglich. Die Vorschrift gilt also für alle gesetzlichen Fristen, die innerhalb des finanzgerichtlichen Verfahrens einzuhalten sein bzw. versäumt werden können. Sie gilt dagegen grundsätzlich nicht für die Versäumung richterlicher Fristen, auch wenn diese Ausschlussfristen sind. Das Gesetz hat in Kenntnis der Überschneidungen der Bereiche der gesetzlichen Fristen und der Ausschlussfristen bewusst nur die gesetzlichen Fristen in den Anwendungsbereich des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung genommen.
Für den Fall der Versäumung einer richterlichen Frist zur Vorlage der Prozessvollmacht sieht daher § 62 Abs. 3 S. 4 FGO für Ausschlussfristen ausdrücklich eine sinngemäße Anwendung des § 56 FGO vor, außerdem für die Begrenzung der Beiladung in § 60a S. 7 FGO. Ist ohne Fristsetzung eine Vollmacht bis zur Verkündung des Urteils nicht eingereicht worden, so scheidet mangels Fristversäumung eine Wiedereinsetzung aus.
Rz. 5
Folgende gesetzlichen Fristen des finanzgerichtlichen Verfahrens kommen für eine Wiedereinsetzung – zum Teil ausdrücklich in entsprechender Anwendung des § 56 FGO – in Betracht. Die Fristen für
- die Klageerhebung,
- den Antrag auf Wiedereinsetzung und für seine Begründung,
- die erforderliche Ergänzung der Klageschrift nach Aufforderung durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter,
- den Antrag auf mündliche Verhandlung nach Ergehen eines Gerichtsbescheids,
- den Antrag auf mündliche Verhandlung, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Ergehen eines Gerichtsbescheids,
- den Antrag auf Tatbestandsberichtigung,
- den Antrag auf Urteilsergänzung,
- früher den Antrag auf Ergänzung der Beschlüsse nach Art. 1 Nr. 7 BFH-EntlG,
- die Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Begründung,
- die Einlegung der Revision und ihre Begründung, einschließlich der verlängerten Frist,
- die Einlegung der Beschwerde,
- den Antrag auf Entscheidung des Gerichts gegen die Entscheidung des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten,
- die Einlegung der Anhörungsrüge,
- die Erhebung der Wiederaufnahmeklage – Nichtigkeits- oder Restitutionsklage –,
- die Einlegung der Erinnerung an das Gericht,
- die Erhebung der Anschlussrevision.
Rz. 6
Die umstrittenen Fragen, ob die Frist für den Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist eine gesetzliche Frist ist und welche Folgen sich aus der Gewährung von Wiedereinsetzung ggf. ergeben, ist vom Großen Senat des BFH in Übereinstimmung mit der Rspr. der anderen Obersten Gerichtshöfe des Bundes dahin entschieden worden, dass die FGO eine besondere Frist für den Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nicht vorsehe. Deshalb sei mit Ablauf der Frist eine Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gegeben, die Wiedereinsetzung erfordere die Nachholung der Revisionsbegründung innerhalb der Antragsfrist von 2 Wochen. Entsprechendes gilt auch für die Frist des Antrags auf Verlängerung der Frist für die Nichtzulassungs-Begründung. Diese Frist für die Verlängerung der Begründung ist keine gesetzliche Frist i. S. d. § 56 FGO, Als Wiedereinsetzung ist nämlich die gerichtliche Entscheidung anzusehen, durch die die versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig fingiert wird. Diese Entscheidung kann aber nur getroffen werden, wenn die versäumte Rechtshandlung nachgeholt worden ist. Vor Nachholung der Revisionsbegründung kann daher keine Wiedereinsetzung mit der Folge gewährt werden, dass die erst später abgegebene Begründung zulässig wird. Wegen der rechtlichen Unsicherheit über den Beginn der Revisionsbegründungsfrist in den Fällen eines vorherigen Prozesshilfeverfahrens hat BFH v. 4.9.2002, XI R 67/00, BFH/NV 2003, 414 eine Wiedereinsetzung hinsichtlich der Revisionsbegründungsfrist als gerechtfertigt angesehen. Durch Anfügen eines 2. Halbsatzes an § 56 Abs. 2 S. 1 FGO durch das Erste JustizmodernisierungsG v. 24.8.2004 ist die Revisionsbegründungsfrist ausdrücklich als einzuhaltende Frist i. S. v. § 56 Abs. 1 FGO angesprochen worden, sodass nunmehr diese Frage geklärt ist (ebenso für die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde). Im Übrigen darf ein Wiedereinsetzungsantrag nicht in einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist umgedeutet werden.
Rz. 7
Bei Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels gesetzlicher Fristen ausgeschlossen.
Rz. 8
Die vom Vorsitzenden für die Ergänzung der Klageschrift gesetzte Frist war bis zum 31.12.1992 zwar eine Ausschlussfrist, aber keine gesetzliche Frist. Dennoch sollte in Härtefällen § 56 FGO anwendbar sein (v. Groll, in Gräber, FGO, § 65 Rz. 55). Durch das FGO-Änderungsgesetz v. 21.12.1992 ist die Frist als gesetzliche Frist ausgestaltet worden. Nach § 65 Abs. 2 S. 3 FGO gilt jetzt § 56 FGO entsprechend. Dagegen ist für die richterliche Frist zur Angabe von Tatsachen für d...