Rz. 11
Gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO steht das Akteneinsichtsrecht den Beteiligten des Verfahrens zu, also Klägern, Beklagten, Beigeladenen und beigetretenen Behörden. Diese können ihr Akteneinsichtsrecht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens geltend machen.
Rz. 12
Das Gleiche gilt für die Bevollmächtigten der Beteiligten, die die Beteiligten insoweit vertreten. Bevollmächtigten darf Akteneinsicht nur gewährt werden, wenn das Gericht von einer Bevollmächtigung ausgehen kann. Grundsätzlich hat bei einem Antrag auf Akteneinsicht die schriftliche Vollmacht vorzuliegen. Verlangen die Bevollmächtigten i. S. d. § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO Akteneinsicht, hat das Gericht nach seinem Ermessen zu entscheiden, ob es von diesen Bevollmächtigten verlangt, die Vollmacht schriftlich einzureichen. Dabei ist zu prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Person oder Gesellschaft tatsächlich nicht oder nicht wirksam bevollmächtigt ist. Weigert sich die Person oder Gesellschaft, eine schriftliche Vollmacht einzureichen, ist dies als Indiz im Rahmen der Ermessensentscheidung unter Beachtung der Gesamtumstände zu würdigen. Die Weigerung, eine schriftliche Vollmacht einzureichen, darf allerdings nicht "automatisch" zu der Annahme führen, eine Bevollmächtigung liege nicht vor, da andernfalls die Regelung in § 62 Abs. 6 Satz 4 Halbsatz 2 FGO ohne Bedeutung wäre. Die Anforderung einer schriftlichen Vollmacht, sobald Akteneinsicht beantragt wird, dürfte danach für sich allein genommen nicht ermessensgerecht sein. Anhaltspunkte, die zu einem Verlangen der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht führen können, können aber gegeben sein, wenn der vorgeblich Bevollmächtigte im konkreten Verfahren und auch in anderen Verfahren sich trotz Aufforderung weigert, eine schriftliche Prozessvollmacht einzureichen, wenn sich nicht aus anderen Umständen eine Bevollmächtigung ergibt.
Rz. 13
Nach Unterbrechung des Verfahrens wegen Insolvenz (§ 155 i. V. m. § 240 ZPO; s. § 74 Rz. 23ff.) steht dem Insolvenzverwalter bzw. dem sog. "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter bereits vor Aufnahme des Verfahrens ein Akteneinsichtsrecht zu. Das Steuergeheimnis steht dem Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters nicht entgegen, wenn die Klage von beiden Eheleuten erhoben wurde und durch die Akteneinsicht steuerliche Verhältnisse des anderen Ehegatten offenbart werden. Der Insolvenzverwalter hat allerdings dann kein Akteneinsichtsrecht, wenn das Klageverfahren nicht die Insolvenzmasse betrifft, z. B. in gerichtlichen Verfahren gegen Vollstreckungsakte. Es kommt danach darauf an, welches Begehren der Insolvenverwalter mit seiner Klage verfolgt, welches also "die den Streitfall betreffenden Akten" sind. Der Kläger kann auch schon im vorläufigen Insolvenzverfahren ggf. nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters im gerichtlichen Verfahren einen Antrag auf Akteneinsicht stellen.
Rz. 14
Nicht verfahrensbeteiligte Dritte haben grundsätzlich kein Akteneinsichtsrecht, es sei denn, dass ihnen ein Recht – wie etwa den Behörden nach Art. 35 Abs. 1 GG (Amtshilfe) – hierfür zusteht, wobei jedoch das Steuergeheimnis zu beachten ist. Eine natürliche oder juristische Person, die möglicherweise notwendig oder einfach beizuladen ist (Beiladungsprätendent), hat bis zur erfolgten Beiladung keine im Gesetz bezeichnete Rechtsstellung als Beteiligter und damit keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Vollmachtlose Prozessvertreter sind wie unbeteiligte Dritte zu behandeln, sodass ihnen Akteneinsicht grundsätzlich nicht zu gewähren ist. Bei Bevollmächtigten i. S. d. § 62 Abs. 2 S. 1 FGO kann daher als Kriterium bei der Ermessensentscheidung, ob die Vorlage der schriftlichen Vollmacht verlangt wird, berücksichtigt werden, dass eine Akteneinsicht vollmachtloser Vertreter nicht erfolgen darf. Allerdings kann das Gericht in Einzelfällen – jedenfalls mit Zustimmung der Beteiligten – unbeteiligten Dritten etwa zu wissenschaftlichen oder Ausbildungszwecken Akteneinsicht gewähren (Ermessensentscheidung). Diese Frage hat indes wenig praktische Bedeutung, da das Gericht jedem, der ein berechtigtes Interesse geltend macht, neutralisierte Urteilsabschriften gegen Kostenerstattung überlassen muss.