Rz. 62

Die grunderwerbsteuerbaren Vorgänge sind in § 1 GrEStG erschöpfend aufgezählt. Diese Vorgänge sind – handelt es sich um umsatzsteuerbare Transaktionen – nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG von der USt befreit. Von daher sollte man davon ausgehen, dass GrESt und USt nicht ein und dieselbe Transaktion betreffen und doppelt besteuern können. Komplikationen kommen dennoch dadurch zustande, dass GrESt und USt verschiedene Prinzipien verfolgen. Die GrESt ist eine (Rechts-)Verkehrsteuer i. S. v. Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG. Zum Wesen der Verkehrsteuer gehört, dass sie an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anknüpft.[1] Anknüpfungspunkt ist grundsätzlich der zivilrechtliche Rechtsträgerwechsel, die wirtschaftliche Übertragung ist bei der GrESt nur von Relevanz, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.

 

Rz. 63

Besteuerungsgegenstand der GrESt ist der Erwerb eines Grundstücks oder eines Grundstücks gleichen Rechts, der auf einem tatbestandlichen Erwerbsvorgang beruht. Steuerbar ist mithin der Erfolg, der aufgrund eines auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt.[2] Während die GrESt sich allein an der bürgerlich-rechtlichen Behandlung und Würdigung des Erwerbsvorgangs orientiert, ist bei der USt die wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, die oft genug Abweichungen von der bürgerlich-rechtlichen Konstruktion der Umsatzgeschäfte notwendig macht. Während die USt Lieferungen und sonstige Leistungen eines Unternehmers besteuert, i. d. R. also die Erfüllungsgeschäfte, erfasst die GrESt bereits das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet[3], also das obligatorische Geschäft, das zur Übereignung verpflichtet. Dies ist i. d. R. ein Kaufvertrag. Bei Grundstücken unterliegt die Übereignung des Grundstücks bzw. die Auflassung selbst nur dann der GrESt, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet, bzw. wenn es auch keiner Auflassung bedarf.[4] Somit ergeben sich die widerstreitenden Situationen, dass einerseits zwar das GrEStG den Umfang der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bestimmt. Fällt ein Umsatz unter das GrEStG, richtet sich jedoch nicht allein nach diesem Gesetz, wie weit die Umsatzsteuerbefreiung reicht.

 

Rz. 64

Denn das USt-Recht besteuert auch Vorgänge, die gleichzeitig auch grunderwerbsteuerbar und grunderwerbsteuerpflichtig sind. Umsätze eines Unternehmers sind nicht deshalb nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei, weil sie beim Leistungsempfänger in die Bemessungsgrundlage für die GrESt einbezogen worden sind. Das gilt auch dann, wenn die unter das GrEStG fallenden Umsätze und die an sich nicht unter das GrEStG fallenden Umsätze von demselben Unternehmer getätigt werden.[5] Dies zeigt sich insbesondere bei Umsätzen von Grundstücken mit Neubauten. Der BFH hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass bei objektiv sachlichem Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren, die zukünftige Bebauung des Grundstücks betreffenden Verträgen mit Dritten (einheitlicher) für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung maßgeblicher Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand ist.

 

Rz. 65

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gem. § 8 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der GrESt anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand.[6] Es ist bereits geklärt, dass die Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate des BFH steht.[7] Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Ein solcher Zusammenhang ist u. a. gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war[8] und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde.[9] Der objektiv sachliche Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen wird indiziert, wenn die Veräußererseite dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hatte und der Erwerber dieses Angebot später unverändert ...

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