Rz. 26
Die Steuerbefreiungen in § 8 UStG sind ebenso wie in Art. 148 Buchst. c MwStSystRL dem Wortlaut dieser Bestimmungen nach an keine Voraussetzungen in Bezug auf den leistenden Unternehmer oder den Leistungsempfänger geknüpft. Der jeweilige Steuerbefreiungstatbestand stellt vielmehr auf bestimmte nach Beschaffenheit und Zweckbestimmung bezeichnete Gegenstände und sonstige Leistungen ab. Als Empfänger der in § 8 Abs. 1 und 2 UStG aufgeführten Leistungen ist – anders als bei den Steuerbefreiungen gem. § 8 UStG 1967/1973 – nicht der Unternehmer der Seeschifffahrt oder der internationalen Luftfahrt genannt. Daraus wurde geschlossen, dass dementsprechend die Leistung der in § 8 Abs. 1 UStG aufgeführten Umsätze an einen Abnehmer, der nicht selbst Unternehmer der Erwerbsseeschifffahrt bzw. der internationalen Luftfahrt ist (z. B. an einen Zwischenhändler oder Schiffsmakler), steuerfrei erfolgen kann, sofern dieser das Seeschiff an einen Unternehmer weiterliefert, der es zum Erwerb durch die Seeschifffahrt oder im internationalen Luftverkehr einsetzt. Die Steuerfreiheit konnte auch für Lieferungen von Fahrzeugen an den Bund oder ein Land oder für Umbauten und Instandsetzungen an dessen Fahrzeugen in Anspruch genommen werden, wenn die Fahrzeuge ausschließlich einem begünstigten Unternehmen überlassen wurden. Das Gleiche galt für die durch Subunternehmer der Werften und der Flugzeugindustrie ausgeführten Umbauten und Instandsetzungen von Wasser- und Luftfahrzeugen, die den Voraussetzungen des § 8 UStG entsprechen. Gegen die Steuerbefreiung von Umbauten und Instandsetzungen durch Subunternehmer kann nicht eingewendet werden, dass § 8 UStG nach seinem Sinn und Zweck nur Leistungen an bestimmte begünstigte Unternehmen betreffe. Denn ein entsprechender objektivierter Wille des Gesetzgebers kann dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht mit genügender Sicherheit entnommen werden.
Rz. 27
In der Zeit von 1991 bis 2017 kam die Steuerbefreiung nur für Umsätze in Betracht, die unmittelbar an Unternehmer der Seeschifffahrt oder der internationalen Luftfahrt bewirkt werden; sie konnte in dieser Zeit grundsätzlich nicht auch auf Umsätze vorangehender Stufen angewendet werden. Umsätze auf den vorangehenden Stufen waren allerdings nach dem fr. UStR Abschn. 145 Abs. 1 ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen als steuerfrei behandelt worden, z. B. auf Vorumsätze an Zwischenhändler oder in Fällen des Reihengeschäfts. Nach dem genauen Wortlaut des UStR Abschn. 145 Abs. 1 war die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2, § 8 Abs. 1 UStG nicht davon abhängig, dass die Umsätze an Unternehmer der Seeschifffahrt oder an die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bewirkt werden. Sie konnte sich auch auf Umsätze auf den vorhergehenden Stufen, z. B. auf Lieferungen von Seeschiffen an Zwischenhändler im Reihengeschäft, erstrecken. Auch in diesen Fällen musste jedoch die für die Befreiung erforderliche Zweckbestimmung zum Zeitpunkt der Lieferung eindeutig gegeben sein. Nach UStR 145 Abs. 2 galt Abs. 1 nicht für die in § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UStG genannten Versorgungslieferungen. Die Steuerbefreiung kam in diesen Fällen nur in Betracht, wenn die Lieferungen unmittelbar an Betreiber von Schiffen bewirkt werden, die diese Gegenstände zur Versorgung verwenden. Derartige Umsätze auf den vorhergehenden Stufen waren nicht befreit unter Verweis auf das EuGH-Urteil v. 26.6.1990, a. a. O. Diese Auslegung entsprach m. E. der damaligen EuGH-Rechtsprechung, da der EuGH (a. a. O.) urteilte, dass Art. 15 Nr. 4 der 6. EG-RL, der eine Steuerbefreiung für Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen vorsieht, dahingehend auszulegen sei, dass als solche nur Lieferungen an einen Betreiber von Schiffen angesehen werden können, der diese Gegenstände zur Versorgung der Schiffe verwendet, und nicht Lieferungen dieser Gegenstände, die auf einer vorhergehenden Handelsstufe erfolgen. Hintergrund war, dass nach Auffassung des EuGH die Erstreckung der Steuerbefreiung auf die der endgültigen Lieferung der Gegenstände an den Betreiber der Schiffe vorausgehenden Handelsstufen würde von den Mitgliedstaaten verlangen würde, dass sie Kontroll- und Überwachungsmechanismen einführten, um sich der endgültigen Bestimmung der unter Steuerbefreiung gelieferten Gegenstände zu vergewissern. Diese Mechanismen würden keineswegs zu einer verwaltungsmäßigen Vereinfachung führen, sondern für die Mitgliedstaaten und für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Zwänge schaffen, die mit einer "korrekten und einfachen Anwendung der ... Befreiungen" im Sinne von Art. 15 S. 1 der 6. EG-RL unvereinbar wären.
Der damalige Art. 15 Nr. 4 der 6. EG-RL entsprach dem geltenden Art. 148 Buchst. a und b MwStSystRL, der wiederum Grundlage des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UStG ist. Zu einer weiteren Verschärfung der Verwaltungsmeinung kam es in der Folge des EuGH-Urteils vom 14.9.2006.
Der EuGH hatte entschieden, dass die Steuerbefreiung des Art. 15 Nr. 8 der 6. EG-RL dahingehend auszulegen sei, da...