Rz. 4
§ 135 Abs. 1 Satz 1 regelt, unter welchen Voraussetzungen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung sind. Danach darf die Methode im ambulanten Bereich (vgl. die abweichende Regelung im stationären Bereich mit einer Erlaubnis mit Verbotsmonopol nach § 137 c sowie entsprechend in § 116 b Abs. 3 zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung; jedoch gilt auch hier der Grundsatz, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen hat, vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, juris Rz. 22) grundsätzlich solange nicht eingesetzt werden, bis der G-BA eine positive Empfehlung über den Nutzen der Methode abgegeben hat (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Vergleichbare Grundsätze gelten auch bei der Versorgung mit neuen Heilmitteln (vgl. § 138). Fehlt die positive Empfehlung, ist eine Leistungserbringung und damit auch eine Abrechnungsfähigkeit i. d. R. nicht möglich. Auch im Verhältnis zu den Versicherten wird der Umfang der von der Krankenkasse geschuldeten ambulanten Leistungen bindend festgelegt (vgl. u. a. BSG, Urteil v. 2.9.2014, B 1 KR 11/13 R, juris; auch die Kostenerstattung für eine vom Versicherten selbst beschaffte Maßnahme ist im Grundsatz ausgeschlossen (vgl. u. a. BSG, Urteil v. 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, juris).
Demgegenüber können nach Satz 2 die bereits bisher zulasten der Krankenkassen erbrachten Leitungen auch weiterhin angewandt werden, es sei denn, der G-BA stellt im Rahmen der Überprüfung fest, dass die Methode nicht die Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 erfüllt.
Rz. 5
Nach ständiger Rechtsprechung werden als Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethoden in einem umfassenden Sinne medizinische Vorgehensweisen verstanden, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, welches sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. BSG, Urteil v 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, juris; BSGE 82 S. 233, 237; BSGE 88 S. 51, 60). Dem Begriff der "Behandlungsmethode" kommt jedoch eine umfassendere Bedeutung zu als dem Begriff der „ärztlichen Leistung" im EBM nach § 87, da einzelne vertragsärztliche Leistungen oftmals nur Bestandteil eines methodischen Konzepts sind. Setzt sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener, für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener Maßnahmen zusammen, kann es sich gleichwohl um eine neue Behandlungsmethode handeln, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener Einzelleistungen liegt. Dann kommt es darauf an, ob die im EBM bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (vgl. BSG, Urteil v. 8.7.2015, B 3 KR 5/14 R, juris Rz. 32 m. w. N.).
Nach Aufhebung der entsprechenden Richtlinien für den zahnärztlichen Bereich (Beschluss des G-BA v. 21.12.2005, BAnz 2006 S. 1408) und der Umstellung auf die Gewährung von Festzuschüssen beim Zahnersatz (ab 1.1.2005 durch das GMG) ist § 135 bei zahnärztlichen Methoden nicht von hoher Bedeutung. Möglich kann hier aber ebenfalls ein Systemversagen (vgl. Rz. 15) sein (BSG, Urteil v. 2.9.2014, B 1 KR 3/13 R, juris Rz. 22, zum Ausschluss von Goldinlays in der BehandlungsRL-ZÄ des G-BA).
Neben den Leistungen der Vertrags(zahn)ärzte selbst sind auch die von den nach § 15 Abs. 1 Satz 2 eingeschalteten unselbständigen Hilfspersonen erbrachten Leistungen als ärztliche Behandlung i. S. d. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. § 135 Abs. 1 umfasst. Gleiches gilt für die durch selbständige Psychologische Psychotherapeuten durchgeführten nichtärztlichen Psychotherapien (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 2, § 92 Abs. 6a; BSG, Urteil v. 28.10.2009, B 6 KA 45/08 R). Ein neuartiges Rezepturarzneimittel ist ebenfalls Gegenstand der Prüfung nach Abs. 1 (st. Rspr. des BSG, vgl. SGb 2007 S. 287), wohingegen Fertigarzneimittel im Zulassungsverfahren nach § 21 AMG auf ihren therapeutischen Nutzen (vgl. zu Begriff und Abgrenzung BSG, Urteil v. 28.2.2008, B 1 KR 16/07 R, Lorenzos Öl, juris) sowie ihre ausreichende Qualität und Ungefährlichkeit hin geprüft werden. Geht jedoch die ärztliche Behandlung über die Verabreichung des zulassungspflichtigen Arzneimittels hinaus und stellt wegen des besonderen Aufwands eine neue Behandlungsmethode dar, so bedarf es sowohl der leistungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen für ein neues Arzneimittel, als auch der Beurteilung durch den G-.BA (BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 1).
Rz. 6
Eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist als neu i. S. d. gesetzlichen Regelung einzustufen, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) aufgeführt wird (vgl. BSGE 81 S. 54, 58; BSGE 81 S. 73, 75 f.; BSGE 94 S. 221) oder aber zwar aufgeführt...