Rz. 31
Die Lage eines Grundstücks kann seinen Wert je nach den Umständen des einzelnen Falles sowohl nach oben als auch nach unten beeinflussen. Abschläge aufgrund der Lage des Grundstücks setzen eine ungünstige Grundstückslage, räumliche Abgelegenheit oder anderweitige standortgebundene Nachteile voraus.
Rz. 32
Eine ungünstige Grundstückslage liegt stets dann vor, wenn das zur Bewertung anstehende Gebäude eine Lage aufweist, die von der gewöhnlichen Lage ansonsten vergleichbarer Grundstücke wesentlich abweicht und deren Nutzung für einen Grundstückseigentümer mit zusätzlichen Kosten bzw. sonstigen Belastungen verbunden ist. Anhaltspunkte für eine ungünstige Lage können sich aus der Lage an einer befahrenen Straße, unzureichenden Parkmöglichkeiten, fehlende Bus- und Straßenbahnhaltestellen in unmittelbarer Nähe, etc. ergeben. Die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals kann daher insbesondere dann ausscheiden, wenn ausreichend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Grundstück verkehrsmäßig gut erschlossen ist.
Rz. 33
Räumliche Abgelegenheit eines Grundstücks bedeutet, dass das Grundstück aufgrund seiner räumlichen Entfernung nicht in die üblicher Weise für einen Grundstückseigentümer nutzbare Infrastruktur eingebunden ist und dadurch zusätzlichen finanzielle bzw. sonstigen Belastungen entstehen können. Die räumliche Abgelegenheit des Grundstücks scheidet als Anlass für eine nach § 88 BewG zu berücksichtigenden Wertminderung aus, wenn die Nutzung des Grundstücks die Abgelegenheit gerade erforderlich macht, z.B. bei standortgebundenen Fabrikgrundstücken (z.B. holzverarbeitende Industrie) oder wenn die Abgelegenheit sich nicht nachteilig bzw. sogar förderlich auf die Nutzung auswirkt (z.B. bei Sanatorien, Kliniken, Erholungsheimen).
Rz. 34
Die Lage des Grundstücks kann außer den in jedem Fall niedriger zu bemessenden Bodenwert auch den Wert des Gebäudes betreffen. Erforderlich dafür ist, dass es sich um eine Beeinträchtigung von außergewöhnlicher Intensität handelt, die sich wegen ihrer Nachhaltigkeit wertmindernd auf das Gebäude auswirkt. Dies ist z.B. bei unmittelbarer Nachbarschaft von Industrieanlagen mit starker Emissionsbildung jeglicher Art der Fall. Auch die Lage in unmittelbarer Nähe eines Flugplatzes, einer Eisenbahnstrecke, einer Mülldeponie, einer Justizvollzugsanstalt oder eines Atomreaktors werden gewöhnlicher Weise zur Ermäßigung des Gebäudesachwerts nach § 88 BewG führen.
Rz. 35
Umstände der beschriebenen Art können sich auch auf den Gebäudewert von Geschäftsgrundstücken wertmindernd auswirken, wenn z.B. durch die Lärmentwicklung von Maschinen, Flugzeugen oder Industrieemissionen das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der auf den nahegelegenen Geschäftsgrundstücken arbeitenden Menschen objektiv nachweisbar nachhaltig beeinträchtigt wird.
Rz. 35a
Der BFH hält es für möglich, dass die nicht in Lärm bestehenden Beeinträchtigungen eines Grundstücks durch flughafennahe Lage bisher von Seiten der Finanzverwaltung nicht bedacht wurden und deshalb auch nicht Eingang in die typisierenden Verwaltungsvorschriften gefunden haben. Die nicht ohne Weiteres und nicht unmittelbar sichtbare Feinstaubbelastung und deren Bedeutung war in früheren Jahrzehnten, in denen die ersten Verfügungen zu Wertabschlägen wegen Flughafennähe erlassen wurden, der Öffentlichkeit kaum bewusst. In diesem Falle wäre zu prüfen und zu erörtern, ob und ggf. in welchem Umfange dieser Umstand im Rahmen von § 88 BewG berücksichtigt werden muss.
Rz. 35b
Ob die Beeinträchtigung durch Fluglärm so erheblich ist, dass sie eine Ermäßigung des Einheitswerts rechtfertigt, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Dies erfordert jedoch nicht stets eine Ermittlung der konkreten Lärmsituation in jedem Einzelfall. Der BFH geht davon aus, dass wegen des Wesens der Einheitsbewertung als Massenverfahren jedenfalls dann eine typisierende Berücksichtigung der Lärmbeeinträchtigung zulässig ist, wenn eine Lärmquelle – wie ein Flughafen – eine größere Anzahl von Grundstücken in gleicher oder ähnlicher Weise betrifft, das Ausmaß der Lärmbelästigung für einzelne regionale Bereiche durch anerkannte Verfahren ermittelt ist und die Ermittlung der Lärmbeeinträchtigung in jedem Einzelfall für ein Massenverfahren zu aufwendig wäre. Das technisch-mathematische Verfahren der Anlage zu § 3 FluLärmG stellt eine Methode zur typisierten Ermittlung der von Flughäfen ausgehenden Lärmbelastung dar. Mit der Belegenheit eines Grundstücks in den aufgrund von § 4 FluLärmG festgesetzten Schutzzonen des Lärmschutzbereichs ist auch für die Einheitsbewertung des Grundbesitzes ein objektives und überprüfbares Merkmal gegeben, das frei von subjektiven Eindrücken und Vorstellungen ist und im Rahmen der Massenbewertung in praktikabler Weise zu vertretbaren Ergebnissen sowie zu einer gleichmäßigen Behandlung der Steuerfälle führt. Die Bemessung des ggf. zu...