Rz. 27
Der für das Bewertungsrecht maßgebende Begriff des Einfamilienhauses hat sich mehrfach gewandelt. Das BewG 1925 (vgl. § 24 Abs. 3 RBewDB 1925 und oben Rz. 1) verstand unter einem Einfamilienhaus ein solches bebautes Grundstück, das seinem Charakter nach dazu bestimmt war, von einer Familie allein bewohnt zu werden. In den Durchführungsbestimmungen zum RBewG 1925 für die Hauptfeststellung 1928 und im RBewG 1931 wurde der Begriff "Villen" eingeführt. Darunter wurden solche bebauten Grundstücke verstanden, die nach Bauart und Einrichtung ihrer Gebäude Villencharakter aufwiesen, gleichgültig, ob die Gebäude in offener oder geschlossener Bauweise errichtet waren (vgl. oben Rz. 1). Diese Abgrenzung führte zu vielen Meinungsverschiedenheiten, so dass sie im BewG 1934 aufgegeben wurde. Das BewG 1934 führte wieder den Begriff Einfamilienhaus ein. Nach der Begriffsbestimmung des § 32 Abs. 1 Nr. 4 BewDV a.F. waren Einfamilienhäuser solche Wohngrundstücke, die nach ihrer baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthielten, wobei Wohnungen für das Hauspersonal oder bloße Not- und Behelfswohnungen, mit deren dauerndem Bestand nicht gerechnet werden konnte, nicht berücksichtigt wurden. Die Entwicklung der Verhältnisse führte im Lauf der Jahre zu einer einengenden Rechtsauslegung. Der BFH kam zu dem Ergebnis, ein Gebäude sei kein Einfamilienhaus sondern ein Mietwohngrundstück, wenn es von mehreren Parteien bewohnt werde, von denen jede eine eigene Wohnung in dem Gebäude habe. Das kennzeichnende Merkmal eines Einfamilienhauses sei nicht unbedingt seine bauliche Gestaltung, sondern dass nach der Verkehrsauffassung im Gebäude nicht mehr als eine Wohnung vorhanden und dieser Zustand nach der Sachlage ein Dauerzustand sei. Diese Rechtsprechung hat auch der BFH beibehalten. Es ergaben sich jedoch Unsicherheiten bei der Beantwortung der Frage, was als Dauerzustand anzusehen ist und inwieweit die Innengestaltung eines Gebäudes auf einen Dauerzustand schließen lässt. Um diese Schwierigkeiten auszuräumen, wurde in der neuen Begriffsbestimmung des § 75 Abs. 5 BewG 1965 allein auf das tatsächliche Bestehen einer oder mehrerer Wohnungen abgestellt. Der Begriff "Einfamilienhaus" ist nunmehr in der Weise abgegrenzt, dass das Gebäude nur eine Wohnung enthalten darf. Eine weitere Wohnung, auch wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist, schließt die Annahme eines Einfamilienhauses aus.
Rz. 28
Sind in einem bebauten Grundstück zusätzlich zu einer als Wohnung zu beurteilenden, baulich abgeschlossenen Wohneinheit Räume vorhanden, die den Wohnungsbegriff (vgl. unten Rz. 29 f.) nicht erfüllen, wird i.d.R. die Grundstücksart Einfamilienhaus festzustellen sein. Das gilt unabhängig davon, ob die übrigen Räume deshalb nicht als Wohnung angesehen werden können, weil sie z.B. baulich nicht abgeschlossen sind, Nebenräume fehlen usw. oder weil eine an sich abgeschlossene Einheit z.B. freiberuflich (gewerblich) genutzt wird. Bei einem solchen Sachverhalt kann die Grundstücksart Mietwohngrundstück festzustellen sein, wenn die zusätzlich zu der als Wohnung zu beurteilenden Raumeinheit vorhandenen Räume für Wohnwecke genutzt werden und in einer Anzahl vorhanden sind, dass die Eigenschaft des Grundstücks als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn die als Wohneinheit zu beurteilende Raumeinheit weniger als die Hälfte der gesamten Wohnfläche des Grundstücks umfasst. Wohnungen des Hauspersonals (z.B. des Hausmeisters, Gärtners) werden bei der Beurteilung, ob ein Gebäude nur eine Wohnung enthält, nicht mitgerechnet (§ 75 Abs. 5 Satz 2 BewG; im Einzelnen siehe Rz. 47 f.). Auch ist, wie früher, die Mitbenutzung des Einfamilienhauses zu gewerblichen (freiberuflichen) oder öffentlichen Zwecken unschädlich, wenn dadurch die Eigenart des Gebäudes als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird (§ 75 Abs. 5 Satz 4 BewG; im Einzelnen siehe Rz. 52 f.).