Rz. 200
Eine Fehlmaßnahme liegt vor, wenn der mit der Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts verbundene Nutzen aus objektiver Sicht wesentlich unter dem durch die Anschaffung oder Herstellung verursachten Kostenaufwand liegt und der gedachte Erwerber des ganzen Unternehmens diesen Kostenaufwand folglich nicht (voll) entgelten würde. Als Fehlmaßnahme kommen demnach z.B. in Betracht:
- der Erwerb einer Maschine, die von Anfang an mit erheblichen technischen Mängeln behaftet ist und deshalb nicht oder nur zeitweise funktionsfähig ist, sofern diese Mängel vom Veräußerer nicht alsbald behoben werden können;
- der Erwerb einer Produktionsanlage zur Herstellung einer bestimmten Ware (etwa eines Medikaments), wenn zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung der Anlage und dem maßgeblichen Bewertungszeitpunkt der Vertrieb der Ware gesetzlich verboten wird und die Produktionsanlage auch anderweitig nicht nutzbar ist;
- die Anschaffung oder Herstellung einer Maschine, die nach den im Einzelfall gegebenen betrieblichen Verhältnissen erheblich und dauerhaft "überdimensioniert" ist, weil das Unternehmen nur noch Aufträge erhält, die ohne Weiteres mit einer kleineren und dann auch erheblich billigeren Maschine ausgeführt werden könnten. Dabei muss es sich freilich um eine erhebliche und nachhaltige Überdimensionierung handeln.
Rz. 201
Zu unterscheiden sind bewusste und unbewusste Fehlmaßnahmen. Die Berücksichtigung bewusster Fehlmaßnahmen ist problematisch (vgl. unten Rz. 203). Unbewusste Fehlmaßnahmen können zum einen auf einer irrtümlichen Einschätzung wertbegründender Eigenschaften und Merkmale des betreffenden Wirtschaftsguts selbst liegen, so etwa, wenn das Wirtschaftsgut einen versteckten Mangel aufweist und dieser Mangel bei der Preisbildung nicht berücksichtigt wurde. Einer solchenfalls gebotenen Teilwertabschreibung sind allerdings evtl. bestehende und realisierbare Gewährleistungsansprüche durch deren gesonderte Aktivierung gegenüberzustellen.
Rz. 202
Eine unbewusste Fehlmaßnahme liegt darüber hinaus aber auch dann vor, wenn das Wirtschaftsgut an sich "seinen Preis wert ist", jedoch die bei der Anschaffung oder Herstellung gehegten wirtschaftlichen Erwartungen entweder von vornherein irrtümlich falsch eingeschätzt wurden oder infolge anfangs nicht voraussehbarer Umstände und Entwicklungen im Nachhinein nicht unwesentlich enttäuscht werden mit der Folge, dass der Steuerpflichtige mangels (voller) Amortisation seines Anschaffungs- oder Herstellungsaufwands kein vollwertiges Äquivalent erhält. Im ersteren Fall spricht man von anfänglicher Fehlmaßnahme, im letzteren von nachträglicher Fehlmaßnahme.
Rz. 203
Wie schon angedeutet (Rz. 201), ist zweifelhaft, ob neben unbewussten (irrtümlichen) Fehlmaßnahmen auch solche Fehlinvestitionen zu einer Widerlegung der Teilwertvermutung führen können, die bewusst getätigt wurden. Nicht selten sind hierbei nicht nur betriebliche, sondern auch oder sogar allein außerbetriebliche Motive (z.B. privates Geltungsbedürfnis) mit im Spiel. Fehlt der betriebliche Zusammenhang gänzlich, mangelt es bereits an der Betriebsvermögenseigenschaft des entsprechenden Wirtschaftsguts und damit an dessen Aktivierbarkeit; das Problem der Teilwertabschreibung wegen Fehlmaßnahme stellt sich daher von vornherein nicht. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 EStG vor, so schließt diese Bestimmung die Berücksichtigung einer Teilwertminderung aus. Im Übrigen ist m.E. eine Widerlegung der Teilwertvermutung bei bewussten Fehlmaßnahmen nicht generell ausgeschlossen. Auszugehen ist stets von der für die Entscheidung, ob eine Fehlmaßnahme vorliegt, grundlegenden Frage, ob ein gedachter Erwerber die getätigte Investition unter Berücksichtigung des in der Zwischenzeit eingetretenen Werteverzehrs in vollem Umfang vergüten würde oder nicht. Bewusste Fehlmaßnahmen außerhalb der oben angedeuteten Bereiche des Privaten und des § 4 Abs. 5 EStG sind selten, da Kaufleute ökonomisch zu handeln und nichts zu verschenken pflegen. Zumeist wird deshalb der Kaufmann, der für die betreffende Investition einen erhöhten Kostenaufwand in Kauf nimmt, andere Vorteile im Auge haben, die diesen Kostennachteil kompensieren sollen. Stehen diese Vorteile mit dem betreffenden Wirtschaftsgut in einem unmittelbaren Zusammenhang, so scheidet infolge der (erwarteten) Kompensation eine bewusste Fehlmaßnahme aus. Die Investition kann sich allerdings als eine unbewusste Fehlmaßnahme erweisen, wenn nämlich die erwarteten, der Kompensation dienenden Vorteile aufgrund einer anfänglichen Fehleinschätzung oder infolge der nachträglichen Entwicklung tatsächlich nicht eintreten.
Rz. 204
Problematisch sind die Fälle, in denen die zur Kompensation erwarteten Vorteile nicht unmittelbar mit dem jeweiligen Wirtschaftsgut zusammenhängen, sondern andere Wirtschaftsgüter betreffen. So liegt es namentlich bei den sog. Verlustprodukten, also solchen Wirtschaftsgüter...