Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 9
Nach § 159 Abs. 1 BewG sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage, den am Bewertungsstichtag bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder sonstigen Umständen anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden.
Rz. 10
Eine Nutzung zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken ist dabei insbesondere gegeben bei einer zu erwartenden künftigen Nutzung als Bauland, als Gewerbe- oder Industriefläche sowie bei einer zu erwartenden Inanspruchnahme als Verkehrsfläche. Hierbei ist eine Ausweisung in einem Bebauungsplan nicht erforderlich; es muss nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass in absehbarer Zeit eine Nutzungsänderung eintritt. Diese Wahrscheinlichkeit ist z.B. dann gegeben, wenn die entsprechenden Flächen in einem rechtskräftigen Flächennutzungsplan als künftige Bau- oder Gewerbefläche ausgewiesen und in unmittelbarer Nachbarschaft bereits mit der Erschließung vergleichbarer Flächen begonnen worden ist. Ein konkretes, durch einen Bebauungsplan belegtes Baurecht ist dafür nicht erforderlich. Allerdings reicht allein die Möglichkeit einer Nutzungsänderung für eine Einstufung als Grundvermögen nicht aus. Auch der Erwerb der Flächen durch einen Nichtlandwirt wie z.B. eine Wohnungsbaugesellschaft oder ein Industrieunternehmen spricht für die Aufgabe der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Das gilt auch dann, wenn der Erwerber dem bisherigen Eigentümer die Flächen vorübergehend zur weiteren land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlässt.
Rz. 11
Andererseits kann aus dem Aufstellungsbeschluss einer Stadt oder einer Gemeinde für einen Bebauungsplan sowie einem einfachen "Bebauungsplan" in Form von Straßenbegrenzungslinien und Baulinien nicht zwingend auf die Durchführung der Absicht der Verwirklichung eines qualifizierten Bebauungsplanes später oder in absehbarer Zeit geschlossen werden. Das gilt auch dann, wenn ein zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörendes, unerschlossenes Grundstück weder im Bereich eines Bebauungsplans noch innerhalb einer bebauten Ortslage liegt. In diesen Fällen führt auch die Aufnahme der Fläche in einen Flächennutzungsplan bzw. einen Vorentwurf zu einem Bebauungsplan nicht zwangsläufig zur Annahme einer alsbaldigen Bebauung.
Rz. 12
In welchem zeitlichen Rahmen von einer schädlichen Nutzungsänderung auszugehen ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Auch die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder schweigen sich zu diesem Bereich aus. Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist davon auszugehen, dass hierunter ein Zeitraum von sechs Jahren ab Bewertungsstichtag zu verstehen ist. Diesen Zeitraum hat der Richtliniengeber inzwischen auch in R B 159 Abs. 6 ErbStR 2019 als für die Verwaltung verbindlich vorgegeben. Das bedeutet eigentlich, dass mögliche Nutzungsänderungen, die sich außerhalb dieses Zeitraumes vermutlich ergeben werden, nicht zu einer Bewertung der Flächen als Grundvermögen führen.
Rz. 13
Allerdings hat das FG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 7.11.2004 die Auffassung vertreten, dass der für die Abgrenzung landwirtschaftlicher Flächen von Bauerwartungsland erhebliche unbestimmte Rechtsbegriff der "absehbaren Zeit" i.S. des § 69 Abs. 1 BewG für die stichtagsbezogene Bewertung in Anlehnung an § 4 Abs. 2 WertV auszulegen ist. Danach liegt Bauerwartungsland bereits vor, sobald innerhalb eines Zeitraums bis zu acht oder auch mehr Jahren eine bauliche Nutzung nach allen Umständen tatsächlicher und rechtlicher Art greifbar ist, ohne dass sie mit Sicherheit zu erwarten sein muss. Die auf den Sechs-Jahres-Zeitraum für die Hauptfeststellungen des Einheitswerts des Grundbesitzes bezogene BFH-Rechtsprechung zum Begriff der absehbaren Zeit könne nicht auf die stichtagsbezogene Bewertung übertragen werden. Das Urteil ist zur Bedarfsbewertung ergangen, könnte jedoch durchaus auch Bedeutung im Rahmen des § 159 BewG haben.
Rz. 14
Im Urteilsfall hat das FG Düsseldorf ein als Ackerland genutztes Grundstück trotzt neunjähriger Entwicklungszeit bis zur Baureife dem Grundvermögen zugerechnet, da es im Zeitpunkt der Feststellung des Grundbesitzwerts im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ausgewiesen war, die Stadt die Flächen als Wohnbaureserve zu einem erheblich höheren Kaufpreis als dem für Ackerland erworben hatte und zudem durch den Erlass von Bebauungsplänen die Entwicklungszeit zur baulichen Nutzung maßgeblich mitbestimmen konnte.
Rz. 15
Was als hinreichende Wahrscheinlichkeit anzusehen ist, lässt sich aus dem Gesetzestext ebenfalls nicht ableiten. Allgemein muss dieser Ausdruck wohl so interpretiert werden, dass mehr Gründe für als gegen die Nutzungsänderung sprechen. Allein die vage Möglichkeit, dass der noch land- und forstwirtschaftlich genutzte Bereich künftig anders ge...