Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 78
Besteht eine Verpflichtung, das Gebäude auf fremdem Grund und Boden nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit abzureißen, wirkt sich dies nach § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BewG mindernd auf den Gebäudewert aus.
Rz. 79
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 3.3.1972 ausgeführt, dass ein Abschlag wegen der Verpflichtung zum Abbruch stets dann zu gewähren ist, "wenn das Gebäude aufgrund ausdrücklicher vertraglicher Verpflichtung am Ende der Miet- oder Pachtzeit abgebrochen werden muss". Diese Formulierung führte zu der Auffassung, dass die Abbruchverpflichtung stets ausdrücklich im Miet- oder Pachtvertrag zum Ausdruck kommen müsse. Dazu hat der BFH in seiner späteren Entscheidung vom 3.7.1981 klargestellt, dass diese Verpflichtung nicht ausdrücklich im Vertrag vereinbart sein muss. In dieser und in der weiteren Entscheidung vom 3.7.1981 hat der Senat zur Auslegung des § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG die nachfolgenden Grundsätze entwickelt.
Rz. 80
Die Gewährung eines Abschlags wegen der Verpflichtung, ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit abzubrechen, setzt voraus, dass eine vertragliche Abbruchverpflichtung eindeutig und unbedingt besteht. Dies ist nur der Fall, wenn die vertraglichen Vereinbarungen nach ihrem eindeutigen Wortlaut dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Vertragsverhältnisses keine andere Wahl lassen, das Gebäude abzureißen.
Rz. 81
Als ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ist auch die bloße Bezugnahme der Vertragsparteien auf § 556 Abs. 1 BGB anzusehen; denn § 556 Abs. 1 BGB wird von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum dahin ausgelegt, dass die auf einer gemieteten oder gepachteten Grundstücksfläche errichteten Gebäude vom Mieter (Pächter) grundsätzlich beseitigt werden müssen, wenn vertraglich nichts anderes bestimmt ist.
Rz. 82
Nicht erforderlich ist, dass die Abbruchverpflichtung im Vertrag ausdrücklich vereinbart ist. In diesem Fall muss sich aber die Abbruchverpflichtung konkludent aus dem übrigen Inhalt des Vertrags ergeben. Denn die Minderung des gemeinen Werts des Gebäudes tritt ohne Rücksicht darauf ein, ob die vertragliche Abbruchverpflichtung auf ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung beruht bzw. bürgerlich-rechtlich besteht und vertraglich nicht abbedungen ist. Liegen also ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen über eine Abbruchverpflichtung nicht vor, so setzt die Gewährung eines Abschlags den Nachweis voraus, dass die Verpflichtung aus § 556 Abs. 1 BGB nicht – und zwar auch nicht konkludent – abbedungen ist. Ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall nach dem Gesamtinhalt der vertraglichen Abreden zu entscheiden.
Rz. 82.1
In seinem Urteil vom 30.1.2019 hat der BFH entschieden, dass eine unbedingte Abbruchverpflichtung besteht, wenn der Mieter nach den vertraglichen Vereinbarungen bei Beendigung des Mietvertrags grundsätzlich zum entschädigungslosen Abbruch der von ihm errichteten Gebäude verpflichtet ist und er nur in bestimmten Fällen eine Entschädigung für die Gebäude erhält. Die mit der Abbruchverpflichtung verbundene Wertminderung der Gebäude wird bei einer solchen Vertragsgestaltung nicht in allen Fällen der Vertragsbeendigung durch eine Entschädigung ausgeglichen. Das Bestehen einer unbedingten Abbruchverpflichtung kann nicht allein deshalb verneint werden, weil der Eintritt einer tatsächlichen Wertminderung am Ende der Vertragslaufzeit wegen der möglichen Gewährung einer Entschädigung nicht feststeht.
Rz. 82.2
Eine Entschädigungsregelung lässt die Abbruchverpflichtung nicht entfallen, wenn die Erfüllung der Entschädigungsvoraussetzungen von dem Verhalten des Vermieters oder von Dritten abhängig ist. Grundsätzlich gilt, dass die Abbruchverpflichtung als stärkster Eingriff vorrangig zu berücksichtigen ist. Sie beeinträchtigt den Wert der Gebäudesubstanz selbst. Der die Grundstücksbewertung beherrschende Grundsatz des gemeinen Werts gebietet es, bei mehreren unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten den stärksten Eingriff vorrangig zu berücksichtigen. So spricht es nach zutreffender Einschätzung des BFH beispielsweise nicht gegen die Unabdingbarkeit der Abbruchverpflichtung, dass sich der Vermieter nur in bestimmten Sonderfällen – z.B. der außerordentlichen Kündigung aus von ihm zu vertretenen Gründen – verpflichtet hat, dem Mieter eine Entschädigung zu zahlen.
Rz. 82.3
Lassen sich konkrete Tatsachen für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs von Gebäuden, die auf fremdem Grund und Boden errichtet wurden, nicht hinreichend sicher feststellen, bleibt es bei dem in § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BewG vorgesehenen Grundsatz, dass der Abschlag wegen Abbruchverpflichtung zu gewähren ist.
Rz. 83
Zur Versagung eines Abschlags bei ungewissem Abriss vgl. Rz. 97 ff.