A. Grundaussagen
Rz. 1
Die gleichmäßige Festsetzung und Erhebung der Erbschaft-/Schenkungsteuer (§ 85 Satz 1 AO) ist nur möglich, wenn die zuständigen Finanzämter (§ 35 ErbStG) über alle steuerbaren Erwerbsvorgänge umfassend informiert werden. Zu diesem Zweck trifft die potenziellen Steuerschuldner – den Erwerber, bei Schenkungen auch den Schenker und bei Zweckzuwendungen den Beschwerten – sowie ggf. deren Erben eine Anzeigepflicht (§ 30 Abs. 1, 2 ErbStG). Ergänzend bestehen weitere Informationspflichten insbesondere für Banken und Kreditinstitute, Versicherungen, Aktiengesellschaften und Wertpapieremittenten (§ 33 ErbStG) sowie in den in § 34 ErbStG genannten, praktisch wichtigsten Fällen für die Standesämter, (Nachlass-)Gerichte und Notare. Außerdem verpflichten z.T. sehr detaillierte Verwaltungsanweisungen die übrigen Dienststellen der Finanzverwaltung zu Kontrollmitteilungen und zur Zusammenarbeit.
Rz. 2
Die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen haben die eingehenden Informationen auf ihre steuerliche Relevanz hin zu prüfen und grundsätzlich in allen nicht eindeutig steuerfrei bleibenden Fällen sodann – i.d.R. durch Aufforderung zur Abgabe einer Erbschaft-/Schenkungsteuererklärung – ein Besteuerungsverfahren einzuleiten und/oder, soweit sie hierbei auch schon über Vermögen informiert werden, das seit 1.1.2007 der sog. Bedarfswertfeststellung unterliegt, die Aufnahme entsprechender Feststellungsverfahren zu veranlassen (§ 151 Abs. 1 BewG).
Rz. 3
Mit dem ErbStRG vom 24.12.2008 wurde § 30 Abs. 3 Satz 1 ErbStG ergänzt. War ein Erwerber, dessen erbschaftsteuerbarer Erwerb auf einer amtlich eröffneten letztwilligen Verfügung des Erblassers beruhte, bislang nicht anzeigepflichtig, gilt dies – mit Wirkung für Steuerentstehungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 (§ 37 Abs. 1 ErbStG) – nur noch, wenn er weder Grundbesitz, noch Betriebsvermögen, nicht nach § 33 ErbStG anzeigepflichtige Anteile an Kapitalgesellschaften oder Auslandsvermögen erworben hat.
Rz. 4
Für sog. Familienstiftungen und Familienvereine, deren Vermögen der Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt, besteht seit dem 29.12.2020 eine spezielle Anzeigepflicht nach Abs. 5 (s. Rz. 30 ff.).
B. Anzeigepflicht (Abs. 1 und 2)
Rz. 5
Allein das zuständige Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt besitzt die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz über die Steuerpflicht eines Erwerbsvorgangs. Deshalb besteht – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 30 Abs. 3 ErbStG und, blendet man Abs. 5 aus (s. Rz. 30 ff.), selbstverständlich nicht vor dem Steuerentstehungszeitpunkt – die Anzeigepflicht der Beteiligten in allen steuerbaren Fällen ohne Rücksicht auf eine mögliche Steuerbefreiung nach §§ 13, 18 ErbStG und – wegen § 14 ErbStG – auch bei Erwerben unterhalb der persönlichen Freibeträge (§§ 16, 17 ErbStG) und erst recht bei verdeckten Schenkungen; anzeigepflichtig sind auch Zuwendungen der öffentlichen Hand (§ 7 ErbStG Rz. 438 ff.; § 13 ErbStG Rz. 138 ff.; § 34 ErbStG Rz. 21–24, 27). Dass bei eindeutig nicht steuerpflichtigem Erwerb die Anforderung einer Steuererklärung ermessensfehlerhaft sein mag, steht auf einem anderen Blatt. Die Verletzung der Anzeigepflicht kann jedoch bei Steuerverkürzung die Festsetzungsfrist verlängern (§ 169...