Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Gestaltungsmissbrauch bei Ersetzung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts durch einen Mietvertrag unter nahen Angehörigen. Einkommensteuer 1995
Leitsatz (amtlich)
In der Ersetzung eines im Rahmen vorweggenommener Erbfolge eingeräumten unentgeltlichen Nutzungsrechtes durch einen Mietvertrag liegt kein Gestaltungsmissbrauch, wenn das Nutzungsrecht vor Abschluss des Mietvertrages zumindest schuldrechtlich aufgehoben wurde und die Grundsätze für die steuerliche Anerkennung von Verträgen unter nahen Angehörigen beachtet werden (Fremdvergleich; tatsächliche Durchführung).
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 vom 19.02.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.08.1997 wird geändert und die Einkommensteuer 1995 unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 9.194,98 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung neu festgesetzt. Die Berechnung der Steuer wird auf den Beklagten übertragen. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Steuer nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, dem Kläger das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft des Urteils neu bekanntzugeben.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Mietvertrag zwischen nahen Angehörigen trotz eines dinglichen Wohnungsrechtes steuerlich anzuerkennen ist.
Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt, seine Frau ist als Angestellte tätig. Mit notariellem Vertrag vom 21. Mai 1992 übertrugen die Eheleute A. die Eltern des Klägers und deren Schwägerin Frau B. u. a. ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück als Miteigentum zu je ½ an den Kläger und seine Frau. Sie vereinbarten unter anderem
- ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht sowie
- eine Pflegeverpflichtung des Klägers und seiner Frau zugunsten der Eltern des Klägers (Bl. 7 der Finanzamtsakte FA-Akte).
Das Wohnungsrecht (a.) wurde als beschränkt persönliche Dienstbarkeit, das Betreuungs- und Pflegerecht (b.) als Reallast vereinbart; beides wurde zusammengefaßt als Altenteil im Grundbuch eingetragen. Die Unentgeltlichkeit ist ausdrücklich nicht Gegenstand des dinglichen Rechts. Die Kosten für Licht, Gas, Wasser und Heizung tragen die Wohnungsrechtsberechtigten selbst, sonstige Abgaben die Kläger. Im Grundbuch wurde dieses Altenteilsrecht (Bl. 50 Finanzgerichtsakte – FG-Akte) am 11.08.1993 eingetragen. Erst während des Klageverfahrens erteilten die Berechtigten am 20.11.1997 eine Löschungsbewilligung, so daß das Recht am 09.12.1997 in vollem Umfange gelöscht wurde.
Bereits mit Vereinbarung vom 14.12.1994 (Bl. 23 FG-Akte) hatten die Wohnungsrechtsberechtigten wegen erheblicher anstehender Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten auf das unentgeltliche Wohnungsrecht verzichtet und erklärt, dieses in ein unbefristetes Mietverhältnis umzuwandeln. Mit Vertrag vom 01.01.1995 (Blatt 25 FG-Akte) schlossen die ehemaligen Wohnungsrechtsberechtigten und der Kläger mit seiner Frau einen Mietvertrag über die Wohnung mit 84,4 m² für einen in bar gegen Quittung zu zahlenden Mietzins in Höhe von 379,80 DM, d. h. 4,50 pro m².
Der Beklagte versagte die Anerkennung der Verluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, da das Mietverhältnis wegen des noch bestehenden Nutzungsrechts nicht anzuerkennen sei. Der nur im Namen des Klägers eingelegte Einspruch wurde zurückgewiesen.
Der Kläger trägt vor, das Mietverhältnis sei anzuerkennen. Mit der Vereinbarung vom 14.12.1994 sei das bestehende unentgeltliche Nutzungsrecht formwirksam aufgehoben worden, so daß ein Mietvertrag habe geschlossen werden können. Dieser halte einem sog. Fremdvergleich stand. Ein Gestaltungsmißbrauch liege nicht vor, da die Mieteinnahmen zum Erhalt des Gebäudes dienen mußten. Eine Löschung des Wohnrechts im Grundbuch sei nicht erforderlich, was sich aus §§ 875, 1064, 1072 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– ergebe. Auf jeden Fall sei der Mietvertrag wie unter fremden Dritten durchgeführt worden.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1995 vom 19.02.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.08.1997 ergangen, die Einkommensteuer 1995 unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 9.194,98 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, das unentgeltliche Wohnungsrecht sei nicht entsprechend der sachenrechtlichen ...