Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsstaatswidrigkeit eines in Folge von Steuerhinterziehung ergangenen DDR-Steuerbescheids
Leitsatz (redaktionell)
Ergeht, nachdem durch Anzeige bekannt wurde, dass betriebliche Prämienzahlungen privat vereinnahmt und steuerlich nicht erklärt wurden, ein diese – genau ermittelbaren – Einnahmen erfassender DDR-Steuerbescheid, ist dieser nicht als mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar i. S. d. Art. 19 S. 2 EinigVtr. anzusehen, wenn im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Verfolgung oder einen Willkürakt ersichtlich sind.
Normenkette
EinigVtr. Art. 19 S. 2; VwRehaG § 1 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Steuerbescheide der ehemaligen DDR rechtsstaatswidrig sind.
Der Kläger arbeitete nach kurzer schulischer Ausbildung im Handwerksbetrieb seines Vaters in A-Stadt, den er ab Juni 1973 übernahm. Er beschäftigte durchschnittlich 9 Mitarbeiter. Der Kläger lieferte, als es bei staatlichen Unternehmen zu erheblichen Engpässen kam, auf dringende Bitten verschiedener VEB Maschinenteile. Hierfür erhielt er den Rechnungsbetrag mit Prämien „Stimulierungsmittel”), die zum Teil per Barscheck gezahlt wurden, zum Teil wurden die Beträge auf private Bankkonten überwiesen. Laut eines Schreibens des VEB X vom 6.9.1978 sollten Beträge nicht mehr wie bisher mit Postscheck bezahlt werden, sondern auf Konten überwiesen werden. Mit Schreiben vom 16. August 1979 (Bl. 6 Beihefter) zeigte der VEB Y, B-Stadt, ein Geschäftspartner des Klägers, dem Rat des Kreises, Abteilung Finanzen an, dass der VEB bei Rechnungslegung festgestellt habe, dass der Betrieb des Klägers für die Überweisung von Rechnungsbeträgen seine private Bankverbindung angegeben habe. Daraufhin wurde am 10.9.1979 ein steuerliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Kläger wurde umfassend vernommen (Niederschrift vom 1.4.1980) und gestand. Verschiedene VEB hätten ihm angeboten, die Bezahlung auf private Konten vorzunehmen. Er sei natürlich einverstanden gewesen, um so „für sich und seine Familie auch für diese Sonderleistungen einen finanziellen Vorteil zu verschaffen” (Bl. 3 der Vernehmungsniederschrift). Seine Mitarbeiter wurden für die Sonderleistungen in bar entlohnt (vgl. Aussage des Zeugen C vom 23.4.1980). Die vom Staatsanwalt durchgeführte Konteneinsicht, Durchsuchung und Vernehmungen von Zeugen (Kläger, Steuerhelfer D, Mitarbeiter des Klägers Herr C) führten zur Sicherstellung umfangreicher Beweismittel. Am 05.05.1980 erließ die Abteilung Finanzen des Rat des Kreises E-Stadt gegen den Kläger, nicht auch gegen seine Ehefrau, einen zusammengefassten berichtigten Steuerbescheid über Steuern, Sozialversicherungs-Beiträge und anderer Haushaltsbeziehungen für die Jahre 1973 bis 1977 (Bl. 67 Steuerakte). Er sah eine Steuer von 66.504 Mark der DDR (M/DDR) vor und wies eine Nachzahlung i. H. v. 13.172,07 M/DDR aus. Aus einem Steuerbescheid für das Jahr 1978 vom selben Tag resultierte eine Nachzahlung von 11.216,57 M/DDR. Auf den in der Anlage beigefügten Prüfbericht wurde verwiesen. In diesem Bericht vom 29.04.1980 wird folgendes ausgeführt: Im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, dass der Kläger betriebliche Einnahmen aus Lieferungen und Leistungen seines Gewerbebetriebs auf privaten Spar- und Spargirokonten seiner Familie vereinnahmt und diese und weitere per Postbarscheck erhaltene Betriebseinnahmen nicht der Besteuerung unterworfen habe. Der Prüfbericht wies die Einnahmeverkürzungen der Jahre 1973-1979 und die Steuerberechnungen im Einzelnen aus. Es wurde zunächst ein Gesamtnachforderungsbetrag für 1973 bis 1977 und 1978 in Höhe von 90.193,64 M/DDR ermittelt (Bl. 45 FG-Akte). Aufgrund der vom steuerlichen Berater des Klägers, dem laut Auskunft der Steuerberaterkammer am 6.09.2000 verstorbenen D, erhobenen Beschwerde wurde der Steuerbescheid des Jahres 1978 am 29.08.1980 (Bl. 76 Steuerakte) berichtigt und die Steuer um 2.296 M/DDR (incl. Verspätungszuschläge) ermäßigt.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 07.11.1980 wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung zu sechs Monaten bei einem Jahr Bewährung und 2000 M/DDR Geldstrafe verurteilt. Es beruht auf den geständigen Einlassungen des Klägers gegenüber den Steuerfahndern, dem Staatsanwalt und in der Hauptverhandlung. Danach gab der Kläger zu, in den Jahren 1973 – 1979 in einer Vielzahl von Fällen betriebliche Einnahmen buchmäßig nicht erfasst und privat vereinnahmt zu haben.
Mit Schreiben vom 15.05.2007 beantragte der Kläger beim Finanzamt Suhl, die Steuerbescheide der Jahre 1973-1990 aufzuheben. Zur Begründung trug er vor, die einkommensteuerlichen Einstufungen und Veranlagungen seien mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, da sie sich bei Würdigung des Inhalts und der ihren Erlass begleitenden Gesamtumstände nach dem nic...