Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
1 Urkundenaushändigung – Umfang des Verbots
Rz. 1
Das Verbot der Aushändigung der Urkunden, die einen anzeigepflichtigen Erwerbsvorgang betreffen, vor Absendung der Anzeige an das Finanzamt betrifft ausschließlich das Verhältnis der an dem Erwerbsvorgang Beteiligten zu Gerichten, Behörden und Notaren. Die Aushändigung der Urkunde an andere Behörden (z. B. Grundbuchamt) vor dem Zeitpunkt der Absendung der Anzeige an das Finanzamt ist dadurch nicht ausgeschlossen.
2 Änderung durch Art. 8 Nr. 4 des Steueränderungsgesetzes 2015
Rz. 2
Durch Art. 8 Nr. 4 des Steueränderungsgesetzes 2015 v. 2.11.2015, BGBl I 2015, 1834, wurde § 21 GrEStG neu gefasst, indem nach dem Wort "Anzeigen" die Wörter "in allen Teilen vollständig (§§ 18 und 20)" eingefügt wurden. Damit dürfen die Gerichte, Behörden und Notare Urkunden, die einen anzeigepflichtigen Vorgang betreffen, den Beteiligten erst aushändigen und Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften den Beteiligten erst erteilen, wenn sie die Anzeigen in allen Teilen vollständig (§§ 18 und 20 GrEStG) an das Finanzamt abgesandt haben. Der neue § 21 GrEStG ist nach dem durch Art. 8 Nr. 5 des Steueränderungsgesetzes 2015 neu angefügten § 23 Abs. 13 GrEStG (vgl. § 23 Rz. 20) auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 5.11.2015 verwirklicht werden (vgl. Art. 18 Abs. 1 Steueränderungsgesetz 2015).
Die Änderung des Wortlauts des § 21 GrEStG dient der Umsetzung des Vorschlags des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BT-Drs. 18/3158). Die im Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) erfolgte Klarstellung zum Anzeigenbegriff in § 16 Abs. 5 GrEStG (vgl. § 16 Rz. 10 und § 23 Rz. 19) ist auch in § 21 GrEStG vorzunehmen. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Anzeigenbegriff innerhalb des GrEStG einheitlich anzuwenden ist.
3 Begriff
Rz. 3
Gerichtliche Urkunden sind u. a. der Erbschein (§ 2353 BGB) oder ein Vergleich (§ 278 ZPO, § 779 BGB). Der Notar darf nach dem eindeutigen Wortlaut einfache Abschriften eines Grundstückskaufvertrags den Parteien nicht erteilen (andere Auffassung DNotI-Report 2016, 49). Abgesandt ist eine Anzeige, wenn sie den Machtbereich des Senders verlassen hat. Vollständig ist die Anzeige auch, wenn sie Fehler enthält. Interne Zuständigkeitsregelungen, etwa für die Weiterverarbeitung innerhalb eines Gerichts vom Entscheider zur Geschäftsstelle, sind nicht zu beachten.
Rz. 4
Bei einem Verstoß gegen § 21 GrEStG kann die Annahme einer Amtspflichverletzung gegeben sein. Wird ein Verspätungszuschlag festgesetzt, ist eine Zurechnung des Verschuldens (§ 153 Abs. 1 Satz 3 AO) infolge des Verstoßes möglich.