Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 16
Bezüglich der Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft mit Grundbesitz i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG ist zunächst zu berücksichtigen, dass § 1 Abs. 2a S. 6 GrEStG die Übertragung solcher Anteile von Todes wegen ausdrücklich von der Besteuerung nach dieser Vorschrift ausnimmt. Auf die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG bräuchte daher in solchen Fällen nicht zurückgegriffen zu werden. Etwas anderes gilt jedoch für Änderungen des Gesellschafterbestands, die im Wege der Schenkung erfolgen. Insoweit stellt sich die (vom BFH bejahte) Frage, ob § 3 Nr. 2 GrEStG anwendbar ist. Diese Frage wurde von der Finanzverwaltung zunächst verneint und dies damit begründet, dass bei der Grunderwerbsteuer ein durch § 1 Abs. 2a GrEStG fingierter Grundstückserwerb besteuert wird, während die Schenkungsteuer an den Anteilsübergang anknüpfe. Damit seien zwei unterschiedliche Rechtsvorgänge gegeben, sodass auch keine Doppelbesteuerung desselben Vorgangs eintrete.
Der BFH hat sich dieser Rechtsauffassung jedoch nicht angeschlossen und mit Urteil v. 12.10.2006, II R 79/05, BStBl II 2007, 409, entschieden, dass steuerbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG insoweit nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei sind, als sie auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruhen. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs kommt den unterschiedlichen rechtstechnischen Anknüpfungspunkten im ErbStG einerseits und in § 1 Abs. 2a GrEStG andererseits keine entscheidende Bedeutung zu. Eine solche Handhabung widerspreche dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Nr. 2 GrEStG, die doppelte Belastung ein und desselben Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer und Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu vermeiden. Der in § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG verwendete Begriff "Grundstücksschenkungen unter Lebenden" erfasse nicht nur isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken, sondern schließe auch die Fälle mit ein, in denen Gegenstand einer freigebigen Zuwendung ein Anteil an einer Personengesellschaft mit Grundbesitz ist. Die Finanzverwaltung hat sich dieser rechtlichen Beurteilung schließlich angeschlossen und Tz. 10 der gleichlautenden Ländererlasse v. 26.2.2003, BStBl I 2003, 271, durch ergänzende Erlasse entsprechend geändert (vgl. FinMin Baden-Württemberg v. 11.10.2007, 3 – S 4501/6). Auch der inzwischen an die Stelle des (modifizierten) Erlasses v. 26.2.2003 getretene gleichlautende Ländererlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010 (BStBl I 2010, 245) trägt in Tz. 7.1 diesem Sinneswandel Rechnung.
Bei den Tatbeständen des § 1 Abs. 3 GrEStG ist zwischen der Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft in einer Hand (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) einerseits und der Übertragung bzw. dem Übergang bereits entsprechend vereinigter Gesellschaftsanteile von einem Mehrheitsgesellschafter auf einen anderen Mehrheitsgesellschafter (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) zu unterscheiden. Im ersten Fall wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben. Demgegenüber ist im zweiten Fall grunderwerbsteuerrechtlich davon auszugehen, dass der Neugesellschafter die Grundstücke vom Altgesellschafter erworben hat.
Diese Differenzierung führt zu unterschiedlichen Konsequenzen bezüglich der Anwendung der persönlichen Befreiungsvorschriften des § 3 Nr. 2 bis 7 GrEStG. So können schon nach der früheren Rechtsprechung des BFH (BFH v. 31.3.1982, II R 92/81, BStBl II 1982, 424, und BFH v. 8.6.1988, II R 143/86, BStBl II 1988, 785) in den Fällen der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) personenbezogene Befreiungsvorschriften, wie z. B. § 3 Nr. 6 GrEStG, grundsätzlich nicht angewendet werden. Diese Rechtsprechung fand auch auf die ab 1.1.2000 geltende Fassung des § 1 Abs. 3 GrEStG entsprechend Anwendung, wonach eine unmittelbare oder mittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand zur Tatbestandsverwirklichung ausreicht (vgl. hierzu auch ausführlich § 1 GrEStG Rz. 93c). Für die Fälle der Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) hat diese Rechtsprechung keine Bedeutung. Hier steht der Anwendung personenbezogener Befreiungsvorschriften nichts entgegen. Dies gilt im Grunde auch für die Vorschrift des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG. Die Finanzverwaltung ist dieser Sichtweise zunächst insoweit gefolgt, als sie die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG bei Kapitalgesellschaften in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG für anwendbar ansah (vgl. koordinierter Ländererlass, z. B. FinMin Baden-Württemberg v. 18.12.2009, 3 – S 450.5/18, DStR 2010, 114 – Buchst. a –). Im Fall der auf einer Schenkung von Anteilen beruhenden Vereinigung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft in einer Hand i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG sollte hingegen § 3 Nr. 2 GrEStG nach wie vor nicht zur Anwendung kommen (z. B. schenkweise ...