Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 8
Der ursprünglich vom Kabinett eingebrachte Gesetzentwurf für ein „Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz)” für die Einführung des § 6 a GrEStG ging den Sachverständigen und Verbänden nicht weit genug (Finanzausschuss des Bundestags vom 30.11.2009).
Die daraufhin verabschiedete Fassung knüpft jetzt an den hessischen Vorschlag von 2005 an.
Sie lautet:
Zitat
"Für einen nach § 1 Abs. 1 Nummer 3, Abs. 2a, 3 oder 3a steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nummer 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes wird die Steuer nicht erhoben; für die aufgrund einer Umwandlung übergehende Verwertungsbefugnis wird die Steuer nach § 1 Abs. 2 insoweit nicht erhoben. S. 1 gilt auch für entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. S. 1 gilt nur, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Im Sinne von S. 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist. Satz 3 gilt nicht, soweit allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union das herrschende Unternehmen nicht im Sinne von Satz 4 innerhalb von fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist."
Die Finanzverwaltung hat am 1.12.2010 (BStBl I 2010, 1321) einen koordinierten Ländererlass bekannt gegeben, der die drängendsten Fragen beantwortet, um dem Rechtsanwender für die Steuerplanung die notwendige Klarheit zu vermitteln. Ein weiterer, zusammenführender Erlass hat am 19.6.2012 (BStBl I 2012, 661ff.) das Licht der Welt erblickt, weil sich viele Zweifelsfragen ergeben haben, denen jetzt mit verfeinerten Beispielen Rechnung getragen werden soll. Dass die Verwaltung indes auch in Teilen an ihrer restriktiven Auffassung festhält, verwundert nicht, soll damit doch missbräuchlichen Gestaltungen begegnet werden, welche aufgrund des mittlerweile vergleichsweise hohen Steuersatzes an Boden gewinnen. Die einleitende Bemerkung in Rz. 1 ist so zu verstehen, dass die Überschrift "Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern" in § 6 a GrEStG eine eigenständige Beschreibung für die an einem begünstigungsfähigen Erwerbsvorgang beteiligten Rechtsträger hat. Der Kreis der an einem nach § 6 a GrEStG begünstigungsfähigen Erwerbsvorgang beteiligten Rechtsträger ist beschränkt auf das eine über den gesamten Verbund herrschende Unternehmen und/oder von diesem abhängige Gesellschaften. Die beteiligten Rechtsträger verlieren ihre Eigenschaft, Rechtsträger zu sein, durch ihre Einbindung in den beschriebenen Verbund nicht. Dem Verbund selbst kommt danach keine Rechtsträgereigenschaft zu.
Die Steuervergünstigung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht grundstücksbezogen. Daher sind Änderungen in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke in den Vor- und Nachbehaltensfristen (Tz. 4 und 5) konsequenterweise unbeachtlich.
Nach § 23 Abs. 8 S. 1 GrEStG war § 6 a GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 verwirklicht werden. Maßgeblich für die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ist die Eintragung der Umwandlung im Register (vgl. Tz. 2.3).
Nicht anzuwenden war § 6 a GrEStG nach § 23 Abs. 8 S. 2 GrEStG, wenn ein im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.12.2009 verwirklichter Rechtsvorgang nach dem 9.11.2009 (vgl. BT-Drs. 17/15 v. 9.11.2009) rückgängig gemacht wird und die Steuer nach § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nicht zu erheben oder eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. Es handelt sich um eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift, durch die verhindert werden soll, dass ein Erwerbsvorgang nur deshalb rückgängig gemacht wird, um die Steuervergünstigung in Anspruch zu nehmen. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn zwischen Rückgängigmachung und an sich zu begünstigender Umwandlung ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.
Der Erlass ersetzte die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 1.12.2010 (BStBl I 2010, 1321) sowie vom 22.6.2011 (BStBl I 2011, 673) und ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn sich der Steuerpflichtige für Rechtsvorgänge, die nach dem 31.12.2009 und vor dem 19.6.2012 (BStBl I 2012, 661) verwirklicht wurden, auf die bisher geltende Verwaltungsauffassung beruft (Vertrauensschutz).
Er wurde abgelöst durch einen koordinierten Ländererlass vom 22.9.2020...