Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 43
Außerdem spielen hier auch Nutzungsüberlassungen (Nießbrauch/Leasing) eine Rolle.
Zwar lösen Nutzungsüberlassungen wie z. B. Immobilienleasing zunächst keine Grunderwerbsteuer aus, da das Grundstück den Rechtsträger nicht wechselt.
Dabei spielt auch die Frage keine Rolle, wer wirtschaftlicher Eigentümer im ertragsteuerlichen Sinne geworden ist oder wer das Grundstück bilanziert, der Leasinggeber oder der Leasingnehmer (FG Baden-Württemberg v. 24.1.1996, 13 K 103/91, EFG 1996, 561).
Denn die Grunderwerbsteuer macht sich im Grundsatz zivilrechtliche und nicht wirtschaftliche Zuordnungskriterien zu eigen. Zivilrechtlicher Eigentümer bleibt aber nach wie vor der Leasinggeber.
Ausnahmsweise erfolgt eine andere Beurteilung dann, wenn der Leasingnehmer eine Verwertungsbefugnis über das Grundstück erhält. In diesen Fällen des § 1 Abs. 2 GrEStG kann auch Grunderwerbsteuer anfallen, wenn das rechtliche Eigentum nicht übergeht. Davon ist bei Immobilienleasing auszugehen, wenn der Leasingnehmer
- eine Kaufoption auf das Leasingobjekt hat,
- den Leasinggeber von Drittansprüchen freistellen muss,
- die Gefahr des Untergangs der Immobilie trägt und
- alle laufenden Kosten tragen muss.
Geht die Verwertungsbefugnis zu einem Zeitpunkt über, in dem bereits die vertragliche Bindung auf ein bebautes Grundstück gerichtet ist, ist nach den Grundsätzen über das einheitliche Vertragswerk das bebaute Grundstück Erwerbsgegenstand. Erst recht gilt dies, wenn maßgebender Zeitpunkt die Optionsausübung ist, weil in dieser Phase das Grundstück in aller Regel bebaut sein dürfte.
Auch im Falle der Bestellung eines Erbbaurechts durch den Grundstückseigentümer zugunsten einer Leasinggesellschaft ist eine zeitgleich mit dem Erbbauverpflichteten vereinbarte Errichtung eines Gebäudes, das die Leasinggesellschaft als Erbbauberechtigte an diesen zurückvermietet, der Aufwand für das Gebäude Gegenstand der Bemessungsgrundlage.
Mit § 1 Abs. 2a GrEStG sollte die Personengesellschaft als Vehikel zur Grunderwerbsteuerumgehung ihre Bedeutung verlieren. Dies war deswegen erforderlich, weil nach den §§ 5 ff. GrEStG der Übergang eines Grundstücks vom Gesellschafter auf die Gesellschaft und umgekehrt grunderwerbsteuerlich in Höhe seiner Beteiligung an der Gesellschaft nicht erfasst wird.
Bei Übertragung von 95 % der Gesellschaftsanteile an einer Personengesellschaft wird der Übergang der Grundstücke auf eine neue Personengesellschaft fingiert.
Diese Vorschrift zielt vor allem auf die geschlossenen Immobilienfonds, die als Kommanditgesellschaften konzipiert werden. Die Gesellschaft wird mit relativ geringem Kapital gegründet, das nach und nach durch den Beitritt neuer Gesellschafter in erheblichem Umfang aufgestockt wird. Durch die Aufstockung findet ein sogenannter originärer Erwerb der neu hinzutretenden Gesellschafter statt, der in aller Regel dazu führt, dass im Verhältnis zu den alten Gesellschaftern mehr als 95 % der Anteile "ausgewechselt" werden. Damit liegt der Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG vor.
Typischerweise treten die Gesellschafter der Gesellschaft in einem Stadium bei, wo das Grundstück unbebaut ist; genauso Kennzeichen dieser Konzeptionen ist es aber, dass der eintretende Gesellschafter in eine Vielzahl von weiteren Verpflichtungen eintritt, angefangen vom Baubetreuungsvertrag bis hin zur Mietgarantie. Die Bedeutung der Grundsätze des einheitlichen Vertragswerks für gerade diese Struktur lässt der Umstand erkennen, dass in § 8 Abs. 2 GrEStG eine Regelung getroffen wurde.
Denn die Ausnahme vom Stichtagsprinzip bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes nach § 138 BewG ist notwendig, um beim Gesellschafterwechsel i. S. des § 1 Abs. 2a GrEStG auch vertraglich zu diesem Zeitpunkt bereits festgelegte, aber noch nicht ausgeführte Leistungen der Grunderwerbsteuer unterwerfen zu können.
Auch bei Fällen, die unter § 1 Abs. 3 GrEStG zu subsumieren sind (Vereinigung aller Anteile in einer Hand) könnte ein einheitliches Vertragswerk vorliegen. Dies wird aber in der Praxis keine maßgebende Rolle spielen, weil hier in erster Linie Umstrukturierungen im Konzern betroffen sind und hier es eher zufällig im Rahmen einer Anteilsvereinigung zu einer Situation kommen kann, die als einheitliches Vertragswerk zu bewerten wäre.
Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass als Hauptanwendungsfälle für das einheitliche Vertragswerk die Erwerbstatbestände in Betracht kommen, die in den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, 1 Abs. 2 GrEStG und 1 Abs. 2a GrEStG genannt sind.