Eine Digitalisierung der Steuerverwaltung reduziert den Arbeitsaufwand und beschleunigt die Prozesse. Alle Länder arbeiten daran. Einige sind schon besonders weit fortgeschritten.
Digitale Vorreiter der Steuerbranche
Von der verpflichtenden E-Rechnung bis zur automatischen Umsatzsteuerermittlung: In zahlreichen europäischen und außereuropäischen Ländern nutzen Finanzverwaltungen bereits digitale Lösungen, um Prozesse besser zu steuern. Kaum ein Steuergebiet hat die digitale Transformation dabei bereits so stark erfasst wie den Bereich der indirekten Steuern. Nicht verwunderlich: Die Massen an Umsatzsteuerdaten können dadurch effizienter bearbeitet und automatisiert abgewickelt werden. Zugleich dient die Digitalisierung dazu, eine der aufkommensstärksten und betrugsanfälligsten Steuereinnahmequellen besser zu überwachen und nicht zuletzt steuerliche Mehreinnahmen zu generieren.
Ihren Anfang nahm die Digitalisierung der Steuerbranche 2005 mit dem durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelte Dateiformat für die digitale Steuerprüfung. Das „Standard Audit File for Tax”, kurz SAF-T, ist ein standardisiertes Format, mit dem Unternehmen Buchhaltungsdaten mit ihre nationalen Steuerbehörden und externen Prüfern austauschen können. Bis heute sind viele weitere digitale Lösungen hinzugekommen. Je nach Land ist die Digitalisierung insgesamt unterschiedlich fortgeschritten.
Spanien mit digitalem Hilfsangebot für KMU
Spanien hat frühzeitig mit der Digitalisierung seiner Steuerverwaltung begonnen und nutzt beispielsweise bereits seit mehreren Jahren das aus Südamerika stammende Clearance-System. Das „Sistema de Suministro Inmediato de Informacion – SII“ verpflichtet Unternehmen dazu, umsatzsteuerrelevante Angaben zu Aus- und Eingangsrechnungen zeitnah an das Finanzamt zur Kontrolle zu übermitteln. Es fokussiert auf große Unternehmen mit mehr als sechs Millionen Euro Umsatz. Kleine und mittelständische Unternehmen können auf freiwilliger Basis über das System Steuerinformationen an die Behörde senden.
Aber auch für andere Steuerzahler-Gruppen werden digitale Angebote ausgebaut. Im Jahr 2021 hat die spanische Steuerbehörde eine neue „Administración Digital Integral (ADI)“ in Betrieb genommen. Der digital gestützte Hilfsdienst richtet sich an Startups, Freiberufler, KMU, Vermieter und Steuerfachleute sowie Steuerzahler, die Hilfe bei der Abwicklung von Steuerverfahren benötigen. Die digitale Lösung beinhaltet diverse Tools – von virtuellen Assistenten über Instant-Chats und Videoanrufe bis hin zum traditionellen Telefon und dem „Click-zu-Call“. Gleichzeitig sollen sich im Rahmen von ADI mehr als 300 spezialisierte Beamte ausschließlich der persönlichen Betreuung von Steuerzahlern aus ganz Spanien widmen.
E-Rechnungen in Italien und Polen
In Italien sind Unternehmen seit 2019 flächendeckend zur Übermittlung von elektronischen Rechnungen verpflichtet. Diese müssen über das xml-Format ausgestellt und über das offizielle Austauschsystem „Sistema di Interscambio“ (Sdl) versendet und digital archiviert werden. Die Regelung betrifft sowohl Rechnungen aus B2B- wie auch B2C-Geschäften. Insbesondere Steuerbetrug soll mit dieser Form der E-Rechnung unterbunden werden.
Unser Nachbarland Polen betreibt – wie andere Länder auch – ein Online-Portal für die Übermittlung von Rechnungen zwischen Unternehmen und staatlichen Stellen. Die „Platformy Elektronicznego Fakturowania“ (PeF) wurde im Jahr 2019 gestartet, alle öffentlichen Einrichtungen sind verpflichtet, sich dort zu registrieren.
Ab 2024 soll die elektronische Rechnung nun auch im Geschäftsverkehr verpflichtend für alle Unternehmen eingeführt werden. Dazu wird das Datenaustauschsystem „Krajowy System e-Faktur“ (KSeF), eingeführt. Bereits seit Anfang 2022 kann es von Unternehmen freiwillig genutzt werden, bevor es 2024 verpflichtend wird. Unter Verwendung kostenloser Tools, die vom Finanzministerium bereitgestellt werden, sowie mit kommerziellen Programmen können dann so genannte strukturierte Rechnungen im KSeF ausgestellt werden, die auf dem XML-Format basieren.
„Intelligentes Steuerverwaltungssystem“ in Litauen
Das Baltikum ist generell für seinen hohen Digitalisierungsgrad bekannt. In Litauen sind alle registrierten Umsatzsteuerpflichtigen verpflichtet, die Steuerverwaltung umfassend über steuerrelevante Tätigkeiten zu informieren. Dazu zählt die monatliche Übermittlung von Rechnungsdaten mit Umsatzsteuerausweis in standardisierter Form an die litauische Steueraufsicht. Von der Regelung sind auch ausländische Unternehmen betroffen. Ab einem Nettoumsatz von mehr als acht Millionen Euro schreibt das „Intelligente Steuerverwaltungssystem“ (i.MAS) vor, dass ergänzend Buchhaltungsdaten von den Unternehmen zu Ihren Rechnungsvorgängen elektronisch übermittelt werden.
Großbritannien möchte fortschrittlichste Steuerverwaltung weltweit
In Großbritannien ist die Digitalisierung der Steuern ein wichtiger Teil der Pläne der Regierung. Das erklärte Ziel lautet, eine der digital fortschrittlichsten Steuerverwaltungen der Welt zu werden. Dazu wurde im Jahr 2019 die Digitalisierungsoffensive „Making Tax Digital” gestartet. Seit April 2019 müssen Unternehmen mit einem zu versteuernden Umsatz von über 85.000 £ bereits „Making Tax Digital“ befolgen, digitale Aufzeichnungen führen und Mehrwertsteuererklärungen mit Making Tax Digital-kompatibler Software einreichen. Im Juli 2020 wurde bekannt gegeben, dass alle Mehrwertsteuer-registrierten Unternehmen ab April 2022 digital über Making Tax Digital einreichen müssen, unabhängig vom Umsatz.
Die Initiative „Making Tax Digital for VAT“ – also die Digitalisierung der Mehrwertsteuer – ist Teil der Gesamtdigitalisierung der britischen Steuer. Bis Dezember 2021 waren fast 1,6 Millionen Steuerzahler „Making Tax Digital for VAT“ beigetreten, wobei mehr als 11 Millionen Erklärungen erfolgreich eingereicht wurden. Rund ein Drittel der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen mit einem zu versteuernden Umsatz unter 85.000 £ hatten sich bereits vor April 2022 freiwillig bei Making Tax Digital for VAT angemeldet.
Außerdem besitzt seit April 2019 jeder Steuerzahler und jedes Unternehmen ein eigenes digitales Konto, dass relevante Informationen zur Steuerberechnung in Echtzeit erhebt. Steuerdaten sind dadurch effizienter und unkomplizierter einsehbar. Auch die digitale Interaktion mit der Finanzverwaltung ist möglich.
Rollenbasierter Datenzugriff in Estland
Ein Musterbeispiel für die Digitalisierung ist nach wie vor Estland: Während des Internetbooms hat Estland konsequent seine Behörden- und Verwaltungsaufgaben digitalisiert. Als Digitalisierungsweltmeister setzt die baltische Republik auf das Once Only-Prinzip. Die Daten jedes Bürgers sind zentral und digital gespeichert. Behörden und Verwaltungen können rollenbasiert darauf zugreifen. So kann die Finanzbehörde nur solche Daten einsehen, die für die Steuerberechnung relevant sind.
Außerdem besitzt nahezu jeder Bürger einen elektronischen Personalausweis, der für alle Behördenaufgaben genutzt werden kann. Die mit dem Ausweis gekoppelte Nummer dient beispielsweise als Kennung für das Bankkonto, für Versicherungen oder Handyanbieter und ebenso für die Steuererklärung. Diese ist bereits vorausgefüllt, sodass über 90 Prozent der Bevölkerung das Formular nur noch prüfen und abschicken muss. Die zentrale Datenspeicherung vereinfacht so nicht nur Prozesse, sondern spart auch viel Geld ein. Denn mit dem Once-Only-Prinzip ist nur eine einmalige Datenerhebung notwendig und Übertragungsschwierigkeiten durch unterschiedliche Systeme sind praktisch ausgeschlossen.
Auch in puncto Datenschutz ist das estnische Digitalisierungsmodell innovativ: Transparente Prozesse machen die Abfrage von persönlichen Daten für den Bürger nachvollziehbar. Diese sind jederzeit darüber informiert, wer auf ihre Daten zugreift.
Informationsaustausch in Echtzeit zwischen Finnland und Estland
Mittlerweile haben die estnische und die die finnische Steuerverwaltung sogar begonnen, Informationen in Echtzeit auszutauschen. So hat Finnland seit Januar 2021 Echtzeitinformationen über Steuerschulden aus Estland erhalten. Künftig wollen die Steuerverwaltungen beider Länder einen weiteren sicheren Echtzeitaustausch einleiten, der sich auf Mehrwertsteuerinformationen sowie Arbeits- und Sozialsteuerinformationen erstreckt. Die Informationen werden über X-Road ausgetauscht. Die Zusammenarbeit soll in Zukunft fortgesetzt und in den kommenden Jahren weitere Dienstleistungen angeboten werden.