Bot-Technologie und ihre Potenziale in der Steuerkanzlei

Kein Zweifel: Die Bots sind da. Auch in der Steuerberatung gibt es erste Anwendungen. Dank der strukturierten Arbeit in Kanzleien und der gesetzlichen Regelwerke ist die Steuerberatung ein ideales Einsatzgebiet für diese technischen Helfer.

Aber was ist ein Bot eigentlich? Vereinfacht gesagt ist ein Bot ein Computerprogramm, das eigenständig Aufgaben abarbeitet, ohne dabei auf menschliche Interaktion angewiesen zu sein.

Ein alltägliches Beispiel dafür sind die Bots der Suchmaschinen: Sie crawlen durch das Internet und stellen uns ein durchsuchbares Inventar von Schlüsselwörtern bereit. Ein fachspezifischeres und neueres Beispiel ist die Anwendung Taxfriend. Sie führt Anwender mittels Ja-Nein-Fragen zu einfacheren, steuerrechtlichen Klärungen.

Die Suchmaschinen-Bots erledigen eine Fleißaufgabe, die angesichts der schieren Masse von Internetseiten durch Menschen nicht zu leisten ist. Der Bot von taxfriend versetzt Laien in die Lage, einfache steuerrechtliche Einschätzungen zu treffen. Er bekommt die im Steuerrecht kodierten Regeln mitgegeben und wendet Sie auf die Antworten der Laien an, ohne, dass dabei ein menschlicher Kenner eingreifen müsste. Masse beherrschbar machen, Regeln zuverlässig anwenden – das klingt doch sehr nach der Arbeit in Kanzleien. Bringt Sie das auf Ideen? 

Die Zeit ist reif für Bots in Steuerkanzleien

Die Haufe Group beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit den Möglichkeiten der Bots. Sei es die Anwendung in der Wissensvermittlung der Haufe Akademie oder in der eigenen Verwaltung. Zum Haufe-Portfolio gehört auch steuerbot.com, ein Chatbot, der Steuerpflichtige im Frage-Antwort-Spiel bis zur Abgabe der Steuererklärung führt.

Aufgabe der Haufe Innovations-Manager ist es, die Gedanken rund um Bots weiter voranzubringen. Um dabei nicht am Markt vorbei zu agieren, werden die Bots in Zusammenarbeit mit Anwendern entwickelt. Aber kann man Bots für Kanzleien einfach so erfinden?

Man kann. Mit den Kanzleien werden innerhalb von vier Tagen Prototypen entwickelt. Das ist selbstverständlich noch kein ausgereiftes Produkt, sondern viel mehr eine Machbarkeitsstudie mit Potenzial. Im ersten Schritt geht es darum, Anwendungsfälle zu identifizieren und im zweiten um die Entwicklung und den Test eines Prototyps. Ein Beispiel:

Eine größere Kanzlei, die mit der Haufe Group zusammengearbeitet hat, stand vor dem Problem, dass immer wieder eintreffende Informationen nicht optimal genutzt oder weiterverarbeitet wurden. In der Zusammenarbeit wurde ein konkreter Anwendungsfall identifiziert, der künftig mit Hilfe eines Bots besser gelöst werden sollte: Ein Mandant ruft wegen seiner Buchhaltung an und erwähnt nebenbei, dass er einen Immobilienkauf plant. Ein klassischer Beratungsanlass. Damit aus dem Beratungsanlass aber auch ein Beratungsgeschäft werden kann, muss diese Information an den richtigen Ansprechpartner gelangen. In Einzelpraxen, wo jeder jeden kennt, ist das kein Problem. Für diese größere Kanzlei mit 150 Mitarbeitern an mehreren Standorten schon. Die Problemstellung: Wie kann der angerufene Mitarbeiter schnell den richtigen Ansprechpartner finden und die Information auf den richtigen Weg bringen?

Auftritt DONNA

Die bisher entwickelten Prototypen werden bei Haufe zu einem Bot zusammengeführt. Dieser Bot kann auf Haufe-Technologien zurückgreifen und erweitert laufend seine Fähigkeiten. Getauft wurde das Programm auf den Namen DONNA, wie die Assistentin in der US-Anwaltsserie „Suits“, bei der alle Fäden zusammenlaufen.

DONNA

Für diesen Anwendungsfall bekam DONNA eine Liste aller Mitarbeiter und deren fachlichen Schwerpunkten. Diese Informationen wurden in ein Baumdiagramm überführt. Jeder Knotenpunkt steht dabei für einen Schwerpunkt, der sich weiter in Teilbereiche verästelt. So gelangt man von „fachliches Thema“ über „Immobilien“ schließlich zum Knotenpunkt „Immobilienkaufverträge“. Bei dieser Art der Abfrage genügt es, dass der Benutzer das Anliegen des Mandanten kennt, weitere Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Der Weg führt zuverlässig zum richtigen Ansprechpartner.


1, 2, 3 - Bot: So läuft ein Bot-Sprint in einer Steuerkanzlei ab.


DONNA stellt hier aber mehr als ein schlaues Telefonbuch bereit, durch das sich Anwender klicken können. Es ergeben sich zwangsläufig Daten und Aufgaben, die Teil der größeren Wertschöpfungskette der Kanzlei sind. Das zeigt sich, wenn man den Prototypen einmal durchgespielt:

Beispiel Chatverlauf DONNA

Der Mitarbeiter auf der Suche nach dem richtigen Kollegen kann DONNA per Chat ansprechen – dank der Technologie, die von steuerbot.com übernommen wurde. DONNA führt dann mittels einfacher Fragen zum Ziel:

1. Wie heißt Du? 

2. Um welchen Mandanten geht es?

3. Wie hast Du von dem Thema bei Mandant XY erfahren?

4. Aus welchem Bereich kommt das Thema?

5. Handelt es sich um ein fachliches oder branchenspezifisches Thema?

6. Zu welchem der Bereiche passt Dein Thema?

7. OK, es handelt sich um das Thema X, kannst Du es weiter eingrenzen?

Chatverlauf DONNA
8. Möchtest Du auf dem Laufenden gehalten werden, was mit dem Thema passiert?

Der Mitarbeiter kann freie Texte eingeben – etwa, wenn es um Namen geht – oder aus einer Vorauswahl per Klick die treffende Information auswählen. Ein schneller Prozess, der nicht nur zum richtigen Ansprechpartner führt und diesen automatisch informiert, sondern auch zugehörige Informationen erfassen und für spätere Prozesse bereitstellen kann.

Der Anwender bekommt den richtigen Ansprechpartner. Und DONNA kann die Informationen aus dem Frageprozess für den zukünftigen Bearbeiter aufbereiten, indem zum Beispiel automatisch ein Auftrag angelegt wird. Auch die automatische Versendung von Benachrichtigungen und Erinnerungen kann DONNA übernehmen.
 

Das Potenzial der Bots in der Steuerberatung

Bots haben viel Potenzial. Anstelle eines Chat-Systems könnte der Bot ebenso per Mail oder Sprache adressiert werden. Und anstatt Ansprechpartner könnte der Bot auch andere Informationen bereitstellen. Falls Sie das auf Ideen bringt: Die Haufe Innovations-Manager suchen die Kooperationen mit Kanzleien.

Die Arbeit in Kanzleien und auch das Steuerrecht selbst bieten ideale Voraussetzungen für die Arbeit mit Bots. Das strukturierte Vorgehen – oft mit Checklisten –, das Denken in Prozessen und die vielen Wenn-dann-Vorgaben namens Steuerrecht lassen sich mit technischer Unterstützung abarbeiten. Bots können Massenaufgaben erledigen und durch die Anwendung von Regeln helfen, qualitative Einschätzungen leichter zu treffen. Geeignete Anwendungsfälle erkennen Sie an folgenden Merkmalen:

  • Es ist eine wiederkehrende Aufgabe.
  • Hohes Arbeitsaufkommen: Entweder die Aufgabe selbst kommt oft vor oder das hohe Arbeitsaufkommen verhindert die Erledigung der eigentlichen Aufgabe.
  • Regelbasierte Umgebung, d.h. für die Arbeit gelten Vorgaben (Gesetze, Qualitätsanforderungen).
  • Es braucht eine Absicherung gegen menschliche Fehler und Vergesslichkeit.

Für die Kanzlei war DONNAs Auftritt ein voller Erfolg. Das Problem des Anwendungsfalls wurde zuverlässig damit ausgeschaltet – selbst wenn dieser Bot nur ein Prototyp war. Für die Kanzlei hat DONNA dafür gesorgt, dass Informationen auf den richtigen Weg gebracht werden und spontane Beratungsanlässe genutzt werden können. Die Informationsverarbeitung konnte ein Mitarbeiter selbstständig erledigen, ohne weitere Ressourcen zu beanspruchen. Und am wichtigsten: Der Mandant fühlt sich – ohne dass er von DONNA weiß – proaktiv beraten.


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Aus Mandantensicht können Bots zur Zufriedenheit beitragen. Aus Mitarbeitersicht zu Entlastung. Und aus Sicht der Kanzleien? In einem Wort: Tempo. Wenn die bestehende Arbeit zunimmt, ohne dass der Gewinn steigt und jede Luft für zusätzliches Geschäft raubt, dann kann die Lösung nur in einer Effizienzsteigerung liegen: Schnelleres Abarbeiten – sicher und qualitätsorientiert – verschafft Luft für das Mehrgeschäft. Bots können dabei helfen. Die Grundlage dafür sind in jeder strukturiert arbeitenden Kanzlei vorhanden. Ein Blick auf Ihre wiederkehrenden Aufgaben ist der erste Schritt, der entscheidende Schritt.

Alexander Boll
Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung