Ein überaus turbulentes Jahr 2020 geht zu Ende. Vielen wird es noch lange in Erinnerung bleiben. Auch die Steuerberaterbranche wurde kräftig durchgerüttelt. Taxulting hat sich in der Praxis umgehört, welche Herausforderungen in diesem Jahr besonders waren, wie sie gemeistert wurden und welche Learnings man aus den Ereignissen ziehen kann.
Anfang 2020 steuerte die Branche noch in ruhigem Fahrwasser. Glatt war die See. Business-as-usual – wie in jedem Jahr. Für MSW Partners in München gab es sogar viel Grund zur Freude: Die bayerische Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei wurde von der Datev als Digitale Kanzlei 2020 ausgezeichnet. „Durch diese Auszeichnung wurden unsere Anstrengungen der letzten Jahre honoriert“, sagt Kanzlei-Partner und Steuerberater Jens Weinem. Diese Ausgangssituation, weitgehend digital zu arbeiten, war für die Kanzlei zu Coronazeiten die Basis, auch in diesem schwierigen Jahr die anstrengenden Zeiten zu meistern und sogar weiter zu wachsen. „Ohne unsere Digitalisierung in den vorangegangenen Jahren wäre dies nicht möglich gewesen“, sagt Weinem.
Ab März war alles anders
Ab dem Frühjahr dominierte dann Corona das Jahr. MSW Partners stellte dies vor gleich zwei Herausforderungen: zum einen musste man als Arbeitgeber handeln und die kanzleiinternen Prozesse anpassen, andererseits sind Krisenzeiten immer Beratungszeiten „Wir hatten ein überproportionales Jahr mit vielen Mandatskontakten und Anfragen“, sagt Weinem. Am meisten hat die Kanzlei das Thema Kurzarbeit beschäftigt, da es die Kanzlei-Mitarbeiter massiv beansprucht und der Gesetzgeber gefühlt im Stundentakt die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert hat. Die Bearbeitungszeiten hieraus explodierten, was zu dem ein oder anderen Honorargespräch führte „insbesondere bei kleineren Mandanten haben sich die Lohnbearbeitungszeiten teilweise verzehnfacht“, erläutert Weinem.
Wenig Informationen, viele Fragen, mehr Beratung
Erschwert wurde die Situation dadurch, das belastbare Informationen rar gesät waren und sich in rasanter Weise auch inhaltlich veränderten. Für die Steuerberatung Gößmann-Schmitt war es die größte Herausforderung, verlässliche Informationen für ihre Mandanten zu besorgen. Muss Privatvermögen eingesetzt werden? Welche Kosten dürfen berücksichtigt werden? Fallen die Kosten für die Beratung im Rahmen der Überbrückungshilfe unter die zu berücksichtigenden Kosten? Diese und viele weitere Fragen galt es schnellstmöglich zu klären. „Viele Mandanten hatten Angst, zu kurz zu kommen, also mussten man diese teilweise bremsen, da wichtige Informationen fehlten und das obwohl viele Betriebe kurz vor dem Ende standen“, erläutert Steuerberater Florian Gößmann-Schmitt das Dilemma. Dieser Spagat zwischen schnellstmöglicher Aufklärung und Hilfe sowie den dürftigen Möglichkeiten sich Informationen zu beschaffen, war aus seiner Sicht eine der größten Herausforderungen im Jahr 2020.
Auch für die Steuerberatung Knust in Bremerhaven waren die Auswirkungen der Corona-Krise herausfordernd. „Jedoch nicht in fachlicher Hinsicht. Vielmehr die psychische Dialogführung zu Beginn der Pandemie“, sagt Kanzlei-Inhaber Michael Knust und meint damit speziell die zeitnahe Information aller Mandanten über Förderprogramme beziehungsweise Hilfen. Daneben auch die Mehrarbeit bei der Antragstellung von KUG, Überbrückungs- und Soforthilfen sowie Krediten. „Insbesondere ab dem Moment, wo der Steuerberater als Organ der Antragstellung vor den Karren gespannt wurde.“ Auch, dass der Steuerberater nun als Seelentröster und leider auch viel zu oft als Blitzableiter herhalten musste, war laut Knust eine besondere Herausforderung.
Seelsorger, Visionär – Steuerberater
Ähnlich erging es auch dem Steuerberater Axel Bahr im nordrhein-westfälischen Gevelsberg. Der Kanzlei-Inhaber musste innerhalb kürzester Zeit Wissen bereitstellen und zugleich Seelsorger und Visionär zu sein. Auch galt es, sofort die fachliche Telefonbereitschaft aller Kanzlei-Mitarbeiter sicherzustellen. Beratungstermine mussten auf online umgestellt und Arbeitsplätze ins Homeoffice ausgegliedert werden, um über das Maß hinaus die Hygienevorschriften einzuhalten und den Mitarbeitern ein sicheres Gefühl zu geben. Rund um die Hygienevorschriften hätte sich Bahr jedoch mehr Unterstützung durch die Berufsgenossenschaften mit vor Ort Terminen gewünscht.
Mehr Unterstützung von der Politik gewünscht
Florian Gößmann-Schmitt fand die Unterstützung durch die Kammern insgesamt gut, „auch der FAQ-Katalog der BStBK war eine große Hilfe“. Mehr Unterstützung hätte sich der Kanzlei-Inhaber aber vor allem vom Staat und der Politik gewünscht. „Oft wurden dort falsche Erwartungen bei den Mandanten geschürt, wir durften diese dann wieder zunichtemachen. Das hat auf jeden Fall einiges an Vertrauen verspielt“. Und dies ist laut dem Steuer-Experten auch beim Thema Novemberhilfen wieder brandaktuell: „Schnelle und unbürokratische Zahlungen wurden versprochen, in der Realität warten trotzdem noch viele Mandanten auf Ihr Geld, da die technischen Rahmenbedingungen nicht frühzeitig geschaffen wurden“, so Gößmann-Schmitt.
Sein Berufs-Kollege Knust hätte sich vor allem gewünscht, dass die Antragsportale bei Verkündung der Hilfen fertig gewesen wären und die FAQ’s festgestanden hätten, und nicht ständig geändert, angepasst oder ergänzt worden wären. Ebenso hätte er es sinnvoll gefunden, dass die Auszahlung der Hilfen – insbesondere bei der Novemberhilfe – in vollständiger Höhe erfolgt wäre. Auch eine großzügigere Fristverlängerungen für die Abgabe der 2019‘er Steuererklärungen durch das BMF bzw. bei der Offenlegung der 2019’er Jahresabschlüsse durch das BMJ wäre aus seiner Sicht wünschenswert gewesen.
Digitalisierung hat sich ausgezahlt
Trotz der widrigen Umstände sind die genannten Kanzleien gut durch dieses Jahr gekommen. „Da wir bereits seit mehreren Jahren vollständig digital arbeiten, waren Homeoffice, digitale Ausstattung und Kommunikation glücklicherweise für uns kein Fremdwort“, sagt Knust. Auch für Kanzlei Axel Bahr sind Online-Beratungstermine, Online-Schulungen oder Online-Webinare zur Selbstverständlichkeiten geworden.
Für Gößmann-Schmitt zählte zu den wichtigsten Momenten im Jahr 2020, dass es in vielen Köpfen ein Umdenken gab, eine neue Offenheit gegenüber digitalen Arbeitsweisen – bei Mitarbeitern, Mandanten, aber auch im normalen Leben. „Das lange verpönte Home-Office – jetzt völlig normal. Online-Konferenzen früher dankend abgelehnt – jetzt herzlich willkommen“, so der Kanzlei-Chef, der die Liste fast endlos weiterführen könnte. „So kann dem Virus vielleicht wenigstens etwas Gutes abgewonnen werden.“
Bei MSW Partners haben sich die Digitalisierungsbemühungen der vergangenen Jahre ebenfalls positiv bemerkbar gemacht. Mit Wachstum und Personaleinstellung konnte man den gestiegenen Beratungsbedarf meistern. Nach Einschätzung von Weinem hat sich 2020 bestätigt, dass man immer langfristig, aber dennoch innovativ denken muss. Knust sieht das für seine Kanzlei ähnlich: „Wir nehmen aus dem Jahr 2020 keine Learnings mit. Wir nehmen Bestätigung mit. Bestätigung dafür, dass wir schon vor Jahren die Digitalisierung für uns und unsere Mandanten ‚kompromisslos‘ umgesetzt haben. So zählen wir zu den ‚Gewinnern‘ der derzeitigen Pandemie.“