Personalabteilungen in Steuerkanzleien sehen sich in Zeiten eines Fachkräftemangels mit vielen neuen Herausforderungen konfrontiert. Wie sie die neuen Aufgaben angeht, erzählt Personalchefin Anna Mazaschyk von der Kanzlei Dierkes Partner im Interview.
Auf der Bewertungsplattform Kununu steht folgende Bewertung über Dierkes Partner: „Gutes Unternehmen, das leider seine Mitarbeiter nicht halten kann.“ Stimmt das?
Anna Mazaschyk: Das kommt auf den Blickwinkel drauf an. Bei dem einen oder anderen ist dieser Eindruck vielleicht entstanden, weil wir in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen sind. Wir haben innerhalb von fünf Jahren 62 Leute eingestellt. Die Kanzlei ist in Bewegung gekommen. Vielleicht scheint es so, dass es früher stetiger war und die Fluktuation gestiegen ist, aber verhältnismäßig ist das für diese Größe normal.
Außerdem verändert sich die Arbeitswelt. Menschen wechseln schneller ihren Beruf. Die Verbleibdauer in unserer Branche ist im Verhältnis zu anderen zwar immer noch hoch, aber sie nimmt ab. Der Wettbewerb wird größer. Nicht nur andere Steuerkanzleien konkurrieren mit uns um neue Bewerber, auch die Wirtschaftsunternehmen. Die suchen mindestens genauso stark und sind im Durchschnitt bereit, höhere Gehälter zu bezahlen. Der Fachkräftemangel hat in unserer Branche voll durchgeschlagen. Unser Anspruch ist es trotzdem, nicht nur gute Leute für uns zu gewinnen, sondern aus eigener Kraft Menschen bei uns weiterzuentwickeln und zu halten. Ich glaube, das haben wir in den letzten Jahren gut hinbekommen.
Das sind viele Anforderungen für die Personalabteilungen von Kanzleien, die früher hauptsächlich für Lohnabrechnung, Urlaubsanträge und Ähnliches zuständig war.
Das ist definitiv ein Wandel. Die Personalabteilung bewegt sich weg vom administrativen Verwalten hin zum Gestalten. Es geht stärker darum, Talente und Menschen zu erkennen, die zum Unternehmen passen.
Was geschieht mit den administrativen Aufgaben?
Wir versuchen diese Aufgaben mit digitalen Lösungen zeitsparend zu erledigen. Es gibt mittlerweile genügend Tools, mit denen Verwaltungstätigkeiten automatisiert werden können. Wir haben uns für die Software Personio entschieden. Jetzt haben wir mehr Kapazitäten für die wichtigen Fragen: Wie können wir unsere Mitarbeiter weiterentwickeln, wie können wir sie bei uns halten und wie können wir neue Mitarbeiter für uns gewinnen.
Hat die Kanzlei schon Antworten auf diese Fragen gefunden?
Beim Recruiting haben wir festgestellt, dass es uns vielmehr um die persönlichen Fähigkeiten gehen sollte, die ein Mensch mitbringt und weniger um die fachliche Qualifikation. Fachwissen kann man sich aneignen. Wir brauchen kluge Köpfe, aber wir brauchen vor allem Menschen, die mutig sind, die Veränderungswillen mitbringen und die problemlösungsorientiert denken.
Das klingt nach Anforderungen, die nicht unbedingt im Lebenslauf der Bewerberinnen und Bewerber zu finden sind.
Deshalb möchten wir in unseren Bewerbungsgesprächen den ganzen Menschen kennenlernen. Wir möchten herausfinden, ob die Werte dieser Person zu unserer Kultur passen. An ganz viele großartige Kandidaten sind wir in den vergangenen Jahren außerdem über Mitarbeiterempfehlungen gekommen.
Wir wollen von der Begegnung bis zum Abschied ein gutes Bild vermitteln.
Und wir versuchen, mit den Bewerberinnen und Bewerbern, bei denen es auf Anhieb nicht geklappt hat, in Kontakt zu bleiben, ebenso wie mit Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen haben. Wir wollen von der Begegnung bis zum Abschied ein gutes Bild vermitteln, so dass für die Leute die Chance besteht, nochmal bei uns anzufangen oder uns anderen Menschen zu empfehlen.
Werden bei Dierkes und Partner auch Quereinsteiger eingestellt?
Einige. Einer unserer Steuerberater war Taxiunternehmer, bevor er zu uns gekommen ist. Er hat hier eine Umschulung zum Steuerfachangestellten gemacht und schließlich den Steuerberater. Jetzt ist er Teamleiter. Vor zwei Jahren haben wir eine junge Frau eingestellt, die direkt von der Uni kam und noch nicht genau wusste, in welchem Bereich sie glücklich wird und wo sie ihre Talente gut entfalten kann. Sie hat uns im Bewerbungsgespräch so begeistert, dass wir ihr angeboten haben, die ersten acht Monate verschiedene Bereiche kennenzulernen. Jetzt arbeitet sie bei uns im Marketing.
Das Thema Quereinsteiger möchten wir noch intensiver angehen. Wir wollen uns damit beschäftigen, aus welchen Bereichen Quereinsteiger gut passen könnten und die Leute ermutigen, sich bei uns zu bewerben.
Welche Bereiche könnten das sein?
Alles, was aus dem Bereich Wirtschaftsinformatik kommt. Leute mit Entwicklungs- und Programmiererfahrung. Aber wir glauben, dass das nicht der einzige Bereich ist. Warum sollen denn beispielsweise nicht auch Leute, die Wirtschaftspsychologie studiert haben, zu uns passen?
Was ist mit den Mitarbeitern, die schon in der Kanzlei arbeiten. Wie werden sie weiterentwickelt?
Wir schauen, auch mit externen Dienstleistern wie Haufe, welche Mitarbeiter wir zum Beispiel digital schulen können. Wir wollen ein paar Hutträger haben, die ihren eigenen Bereich vorantreiben, ihr Wissen in die Organisation tragen und andere mitnehmen. Uns ist dabei der Austausch mit anderen Kanzleien wichtig. Wir können voneinander lernen. Unsere Branche ist ein Umfeld, in dem es den Menschen ganz schwer fällt, Schwächen einzugestehen. Daran kommen wir aber nicht vorbei. Deswegen ist uns das Thema Kultur auch so wichtig. Wir wollen nicht nur behaupten, eine offene, vertrauensvolle Kultur zu haben, wir wollen das auch leben.
Ist das für die Kanzlei ein Weg, um die Mitarbeiter im Unternehmen zu halten?
Ja. Es ist wichtig, dass Menschen sich in dem Umfeld, in dem sie tätig sind, wohlfühlen. Das hat auch mit der Qualität des Umgangs zu tun. Wir legen Wert auf ausgeprägte Kommunikation. Es ist völlig in Ordnung, wenn die Leute sich privat austauschen. Wir wollen einen respektvollen Umgang miteinander. Hier wird nicht geschrien. Das heißt nicht, dass es bei uns immer gut läuft. Aber bestimmte Verhaltensweisen werden hier nicht an den Tag gelegt und würden auch nicht toleriert werden. Das ist so etwas wie ein Fundament, das für alle gilt.
Das Thema Führung verändert sich dramatisch.
Zusätzlich müssen wir schauen, was die Menschen brauchen. Es gibt in der Kanzlei ganz unterschiedliche Tätigkeitsbereiche, die von unterschiedlichen Menschen ausgeführt werden. Es gibt eine ganze Menge von Kolleginnen und Kollegen, die nach wie vor einen gewissen Rahmen und ein Konzept brauchen. Die können eher damit leben, dass es klare Regeln gibt und einen klaren Tagesablauf. Die legen Wert auf Kontinuität und das müssen wir ihnen bieten können. Dann haben wir aber Menschen in anderen Bereichen, denen Freiheit und Selbstbestimmung wichtig sind. Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Deswegen müssen wir auch die Führungskräfte schulen. Das Thema Führung verändert sich dramatisch.
Was sind eure Erfahrungen, finden diese Veränderungen im Personalbereich auch in anderen Kanzleien statt?
Ich glaube, die Kanzleien, die sich nicht mit den genannten Themen auseinandersetzen, wird es irgendwann nicht mehr geben. Wir können aktuell Leute einstellen, die in ihrer alten Kanzlei zwar nicht unglücklich waren, die aber lieber zu uns kommen, weil ihr alter Arbeitgeber zum Beispiel das Thema Digitalisierung nicht angegangen ist. Die sagen: Eure Kanzlei richtet sich zukunftsfähig aus und ist für mich ein sicherer Arbeitsplatz. Und dann gibt es auch viele Kandidaten, die das inhaltlich spannend finden und bei ihrem alten Arbeitgeber keine Chance bekommen haben, Digitalisierungsthemen anzugehen. Wenn ich das höre, bin ich immer wieder erstaunt. Es kann doch nicht wahr sein, dass es immer noch so viele Berater gibt, die sich nicht darum kümmern.
Zur Person
Anna Mazaschyk leitet den Bereich Personal bei Dierkes Partner in Hamburg. Bevor sie 2014 zur Kanzlei kam, hat sie in einem mittelständischen Unternehmen in der Personalberatung gearbeitet.