Es war ein ereignisreiches und herausforderndes Jahr für Steuerberater – wieder einmal. Das bestätigen uns viele Steuerkanzleien. Doch rückblickend zeigt sich auch: 2022 hatte weit mehr als Krieg, Krisen und Krankmeldungen zu bieten. Viele Kanzleien nutzten das Jahr, um zu wachsen, sich zu vernetzen und die Beratung auszubauen.
„Insgesamt blicken wir positiv auf 2022.“
Die Steuerberatung Oehmann ist schon lange digital aufgestellt. Im Jahr 2022 hat die Kanzlei den Schwung aus der Corona-Pandemie mitgenommen und ihre letzten Prozesse vollständig digitalisiert. Nun setzt man auch noch ein Tool für die digitale Unterschrift sowie Fastdocs für die digitalen Personalfragebögen ein. Papier hat die Kanzlei gänzlich aus ihren Prozessen verbannt. „Wir sind weiter mit Kunden gewachsen, die die gleiche digitale DNA wie wir haben. Insgesamt blicken wir positiv auf 2022 und sind froh, dass wir nach dem Abklingen der Corona-Pandemie wieder in eine Normalität mit persönlicher Begegnung und gemeinsamen Austausch zurückgefunden haben“, sagt Steuerberater Stefan Oehmann.
Eine Herausforderung war nach den Coronahilfen in den Jahren zuvor das Thema Grundsteuer. Es musste in kürzester Zeit eine Softwarelösung beschafft werden, die Bearbeitungsprozesse definiert und auch das fachliche Know-how erlangt werden. Gefreut haben sich Oehmann und seine Kolleg*innen über die Auszeichnung der Wirtschaftswoche als Top Steuerberater Technologie und Digitalisierung, außerdem ist man nun Partnerkanzlei von Personio und Circula. „Nur weil aus einem Papier eine PDF-Datei wird, sind Unternehmensprozesse nicht digital. Erst wenn Schnittstellen und Softwarelösungen genutzt werden, haben unsere Kunden einen wirklichen Mehrwert. Wir werden hier als Coach unserer Kunden wahrgenommen“, sagt Oehmann. Die Herausforderung sei aber auch, die Mitarbeiter mitzunehmen, die neben den bekannten Skills immer technik- und datenaffiner werden müssen.
„Ein offener und kollegialer Austausch mit anderen Kanzleien ist sehr wertvoll.“
Auch für die Steuer- und Rechtsberatung Meschede und Wehmeier erfordert die stetige Entwicklung ihrer Dienstleistungen und der Ausbau der interdisziplinären Tätigkeiten einen merkbaren Aufwand an Fortbildung und Recruiting von passenden Mitarbeiter*innen. Auch die krankheitsbedingten Ausfälle im letzten Quartal des Jahres haben laut Steuerberater und Kanzlei-Partner Tobias Meschede einen hohen Aufwand für das Auftragsmanagement begründet. Doch die Bemühungen haben sich gelohnt: „Das Geschäftsjahr 2022 war für unsere Kanzlei sehr erfolgreich. Wir konnten unser Unternehmen strukturell und organisatorisch weiterentwickeln“, sagt Meschede. Dabei habe auch der Input des Steuerberater Netzwerks DITAX sehr gut unterstützt. „Ein offener und kollegialer Austausch mit anderen Kanzleien ist sehr wertvoll“, sagt Meschede. Die Konzentration auf weniger Kunden und die damit verbundene intensivere Zusammenarbeit mit weiterführenden Dienstleistungen habe zu stark verbesserten Ergebnissen geführt. „Die Entwicklung auf die Kund*innen zu setzen, die zu unserem Geschäftsmodell und unser Mindset am besten passten, hat sich auch auf die Belegschaft positiv ausgewirkt.“ Freuen durften sich die Mitarbeiter auch darüber, dass die Kanzlei seit 2022 die Anforderungen erfüllt und Anwender des „Deutschen Nachhaltigkeitskodexes“ ist.
„Der Gesetzgeber überträgt immer mehr Verantwortung auf die Steuerberatungen als nicht staatliche Stelle.“
Auch für die Steuerkanzlei Axel Bahr war 2022 ein erfolgreiches Jahr. Durch Mandats- und Mitarbeiter-Zugänge ist die Kanzlei nochmals gewachsen. Außerdem wurde eine Kanzlei-Partnerin an Bord geholt.
Aus Sicht von Steuerberater Axel Bahr hat das Jahr 2022 auch gezeigt, dass der Gesetzgeber immer mehr Verantwortung auf die Steuerberatungen als nicht staatliche Stelle überträgt. „Die große Herausforderung hierbei ist es, sich dieser Verantwortung sich zu stellen und die häufige Wut und den Ärger des Bürgers beziehungsweise Mandanten entgegenzunehmen, aufzufangen, und mit ihm gemeinsam den Blick nach vorne zu richten“, sagt Bahr. Gerade in dieser Verantwortung sei es wichtig, die Mitarbeiter – die noch mehr im täglichen Gespräch mit den Mandanten sind – den Rücken zu stärken, sie wertzuschätzen und ihnen Hilfestellungen an die Hand zu geben, die ihnen die Arbeit erleichtern. Auch die Digitalisierung nimmt laut Bahr langsam Fahrt auf. „Auch hier ist die große Herausforderung, die Mandanten behutsam Schritt für Schritt in die neue Welt zu begleiten.“ Stolz ist Bahr auf sein Team, das immer wieder krankheitsbedingte Ausfälle und die dreimonatige Abwesenheit eines Mitarbeiters wegen Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung aufgefangen hat. Ein weiteres Highlight war, dass die Kanzlei aufgrund ihrer Reputation am Markt keine Mitarbeiter suchen musste, sondern sich Menschen proaktiv bei der Kanzlei beworben haben.
„Meine wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Jahr sind, wichtige Entscheidungen im Team zu treffen und den Mut zu haben, wirklich unzuverlässige Mandanten zu kündigen.“
Auch Eugen Müller, Steuerberater und Geschäftsführer der Müller Blum Steuerberatungsgesellschaft zieht ein positives Fazit für das vergangene Jahr. „Das Jahr 2022 war erneut von Wachstum sowohl auf Mandanten- als auch auf Mitarbeiterseite geprägt, da sehr viel Bewegung im Markt ist.“ Der Auf- und Ausbau von Geschäftsbereichen sei sehr gut möglich gewesen, „da Mandanten mit besonderen Anforderungen beispielsweise speziellen Beratungsanforderungen stark nach passenden Berater*innen suchen.“ Bei allen positiven Seiten des weiteren Wachstums stellt das eine Kanzlei auch vor Herausforderungen, die zu bewältigen sind. Dazu gehören laut Müller insbesondere strukturelle und organisatorische Anpassungen, „die sich verändern und daher immer wieder nachjustiert werden müssen.“
Wie in vielen anderen Kanzleien haben die Themen Grundsteuer, Coronahilfen und Geldwäschegesetz auch die Steuer Sterne Steuerberatungsgesellschaft ziemlich auf Trab gehalten. „Meine wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Jahr sind, wichtige Entscheidungen im Team zu treffen und den Mut zu haben, wirklich unzuverlässige Mandanten zu kündigen, um die Zufriedenheit im eigenen Team herzustellen“, sagt Steuerberaterin und Geschäftsführerin Carolin Miebach. Zu den Highlights des Jahres zählt sie die gemeinsamen Aktivitäten des Kanzleiteams, zum Beispiel das gemeinsame Netzwerken auf dem Datev-Kongress in Hamburg. „Die Herausforderung in diesem Jahr war vor allem, die Mandanten wieder zu motivieren und ihnen aufzuzeigen, dass es auch positive Zeiten nach Corona und auch nach einem Ukrainekrieg geben wird“, sagt Miebach. Die Umsätze seien bei vielen Mandanten der Kanzlei weit über dem Niveau von 2019, nur leider nicht die Gewinne. „Hier liegt die Herausforderung definitiv mehr in der betriebswirtschaftlichen Beratung als in der originären steuerlichen Beratung“.
Wünsche für 2023: Mehr Optimismus, mehr Planbarkeit, weniger Sonderaufgaben
Für 2023 wünscht sich Miebach, dass Steuerberater wieder mehr ausbilden und, „dass sich im Ausbildungsbereich einiges verändert, was den Beruf der Steuerfachangestellten wieder oder überhaupt einmal sexy macht. Der Weg über eine Ausbildung kann durchaus auch zum Titel führen und dafür möchte ich junge Menschen begeistern.“
Mehr Optimismus in der Branche wünscht sich auch Müller. „Wir bieten extrem spannende Aufgaben bei absoluter Jobsicherheit und flexiblen Arbeitsbedingungen, sodass wir den Fachkräftemangel als Chance begreifen und gesetzliche Änderungen und an den Berufsstand übertragene Aufgaben als Möglichkeit zur Weiterentwicklung unseres Geschäftsmodells erkennen sollten.“
Steuerberater Bahr hofft, im Jahr 2023 „die notwendigen überproportionalen Lohnerhöhungen, die wirklich nötig sind, mit dem Honorar für unsere Arbeiten weitergeben zu können“. Steuerberater Oehmann wünscht sich für 2023 wieder mehr Planbarkeit „und eine geringere Anzahl an Sonderaufgaben, die Seitens der Regierung auf den Berufsstand übertragen werden.“ Nur weil man gut organisiert und digital aufgestellt sei, könne man dies überhaupt meistern, dennoch sei mittlerweile eine Leistungsgrenze erreicht. „Förderlich wäre auch, wenn die Finanzverwaltung in der Digitalisierung ihrer Prozesse weiter zu uns aufschließen würde, um die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten. So würden sich weitere Freiräume für die Beratung unserer Kunden ergeben.“
Aber es sind nicht nur bessere fachlichen Rahmenbedingungen, die dem Berufsstand im kommenden Jahr guttun würden. „Wir wünschen uns für 2023 ein Jahr ohne Krieg und ohne Pandemie“, sagt Tobias Meschede. „Darüber hinaus würden wir uns sehr freuen, wenn wir unsere Dienstleistungen und Arbeitsplätze noch attraktiver gestalten und der Kundennutzen aus unserer Arbeit weiter steigt.“