So gelingt die Mitarbeitersuche in Steuerkanzleien

Die Steuerberatungsbranche wird nicht "wegdigitalisiert", ist sich BStBK-Präsidialmitglied Alexander C. Schüffner sicher. Dennoch steht sie vor der Herausforderung, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Wie dies gelingen kann, beschreibt Alexander C. Schüffner im Interview.

Herr StB Schüffner, wie beurteilen Sie generell das Thema 'Ausbildung' in Deutschland?

Seit Jahren ist bundesweit über alle Branchen hinweg ein klarer Trend zu erkennen, dass sich immer weniger Jugendliche für eine Ausbildung entscheiden. Auch die Corona-Pandemie ging nicht spurlos an dem Ausbildungsmarkt vorbei. Lockdown, Neustart, Lockdown – das erschwerte es den Ausbildern mit potenziellen Fachkräften in Kontakt zu kommen und die Jugendlichen hatten keine Gelegenheit, während eines Praktikums Praxisluft zu schnuppern. So ging laut Statischem Bundesamt die Zahl der Ausbildungsverträge im Jahr 2020 bundesweit durchschnittlich um 9,4 Prozent zurück.

Wie ist die Ausbildungslage in der Steuerberaterbranche?

Der Negativeffekt gilt erfreulicherweise nicht für den steuerberatenden Beruf: So bildeten Steuerberater auch im Jahr 2020 bundesweit rund 17.700 Nachwuchskräfte aus. Das ist trotz Corona nur ein kleiner Rückgang von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

2021 kletterten die Ausbildungszahlen sogar wieder: Bis Ende Juni haben 6,6 Prozent mehr Azubis einen Ausbildungsvertrag unterschrieben als im Vorjahr. Tolle Neuigkeiten, die zu den kürzlich veröffentlichten Zahlen zu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen des Bundesverbands der Freien Berufe passen. Auch die Zukunftsprognosen des Bundesinstituts für berufliche Bildung zeigen: Die Steuerberaterbranche wächst auch künftig und läuft keine Gefahr, 'wegdigitalisiert' zu werden.

Für uns ist der anhaltende Zuspruch keine Überraschung, denn der Beruf des Steuerfachangestellten ist abwechslungsreich, zukunftssicher und bietet viele Aufstiegschancen – das überzeugt Nachwuchskräfte. So rangiert die Ausbildung regelmäßig unter den TOP 25 aller 328 jährlich neu abgeschlossenen staatlich anerkannten Ausbildungsberufe.

Alexander Schüffner

Erleben alle Kanzleien Fachkräftemangel gleichermaßen?

Der bundesweite Aufwärtstrend lässt sich aber natürlich nicht auf alle Kanzleien gleichermaßen übertragen. Offene Stellen sind wie in anderen Branchen auch in ländlichen Gebieten etwas länger unbesetzt als in Großstädten und dicht besiedelten Bereichen. Dies hängt einerseits mit dem Demografiefaktor zusammen und gleichzeitig auch mit der Dichte von Unternehmen. Jugendliche wandern weiterhin in Großstädte ab und Steuerberater suchen auch räumlich die Nähe zu ihren Mandanten.

Was spricht Fachkräfte an? / Was schreckt sie eher ab?

Um Fachkräfte gezielt anzusprechen, sollte man wissen, woran sie bei der Jobsuche interessiert sind. Laut unserer Forsa-Umfrage zur Neukonzeption der Nachwuchskampagne 'Mehr als du denkst' und den darauffolgenden Umfragen und Workshops mit Auszubildenden sind den Jugendlichen vor allem Zukunftssicherheit, Abwechslung und Aufstiegschancen wichtig. Genau mit diesen Kernargumenten arbeitet unsere Nachwuchskampagne und trifft hier genau ins Schwarze.


Auch andere Punkte wie gendergerechte Sprache spielen im Recruiting eine große Rolle.


Zudem ist eine authentische Ansprache essenziell. Wer nicht glaubhaft und auf Augenhöhe kommuniziert, kommt nicht an. Daher geben bei unserer Nachwuchskampagne echte Auszubildende den Jugendlichen als Botschafter in zahlreichen Marketingmaterialien, auf den Social-Media-Kanälen und auf der Kampagnenwebsite einen authentischen Einblick in den Kanzleialltag.

Aber auch andere Punkte wie gendergerechte Sprache spielen im Recruiting eine große Rolle. So kann sie für Jugendliche ein Signal für einen fortschrittlichen, aufgeschlossenen und nicht-diskriminierenden Arbeitgeber sein. Das zeigt eine im März erschienene Umfrage der FAZ.

Über welche Kanäle lässt sich heute Personal rekrutieren?

Man sollte natürlich dort kommunizieren, wo sich die Zielgruppe am meisten aufhält und sie einbeziehen. Sei es auf den Social-Media-Kanälen wie YouTube und Instagram oder mit dem Eignungstest zum Steuerfachangestellten – in zahlreichen Formaten geben wir Jugendlichen mit der Nachwuchskampagne eine erste Orientierung für den möglichen späteren Berufsweg.


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Auch setzen wir bei der Nachwuchskampagne „Mehr als du denkst“ immer wieder neue Impulse und machen bspw. die Ausbildung schon vor Unterzeichnung eines Vertrags für Interessierte erlebbar. Mit einem Virtual-Reality-Film zur Ausbildung für Steuerfachangestellte können Interessierte im 360°-Format in die Ausbildung eintauchen und sich über deren Dauer und Inhalte sowie spätere Fortbildungsmöglichkeiten informieren. Dieser Film wird auf Messen und bei Berufsinformationsveranstaltungen an Schulen eingesetzt und ist auf der Website www.deinerstertag.de verfügbar.

Glauben Sie, dass die Pandemie einen Einfluss auf die Verfügbarkeit von Fachkräften hatte bzw. haben wird?

Wie bereits angemerkt, hatte die Pandemie zweifellos einen kurzzeitigen Effekt auf den Ausbildungsmarkt. Da die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Steuerberatung aber aktuell wieder steigt, gehen wir nicht von einem nachhaltigen Einfluss auf die Bewerberlage aus.

Was erwarten Sie generell für die Zukunft?

Der Aufwärtstrend bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ist aber kein Grund jetzt die Hände in den Schoß zu legen. Wer auch morgen noch ausbilden und sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren möchte, sollte mit der Zeit gehen. In Zukunft gilt es, Prozesse und Schnittstellen verstärkt zu optimieren und neu zu denken.


Kanzleien benötigen heute Spezialisten.


Gut aufgestellt ist man mit Mitarbeitern, die bei der Organisation, Umsetzung und Weiterentwicklung einer Digitalstrategie unterstützen und einen medienbruchfreien Daten- und Informationsaustausch sicherstellen. Kanzleien benötigen heute Spezialisten, die über Kenntnisse in Datensystemen und -strukturen verfügen, um etwa die Informationsströme, die Mandanten aus E-Shops zufließen, an die Buchhaltung anzubinden.

Dazu gibt es ja eine besondere Fortbildung...

Hier knüpft in der Tat die neue Fortbildung zum 'Fachassistenten Digitalisierung und IT-Prozesse', kurz FAIT, nahtlos an, die sich u.a. an ausgebildete Steuerfachangestellte mit einer Neigung zur IT richtet. Ab September starten hierfür die ersten Vorbereitungskurse. Nähere Infos zu den Kursen, zur Prüfungsinstitution sowie den Prüfungsorten sind bei den örtlichen Steuerberaterkammern erhältlich.

Mit der Fortbildung stellen sich Berufsträger nicht nur gegenüber ihren Mandanten breiter auf, sondern eröffnen Interessierten auch abwechslungsreiche Tätigkeitsfelder und attraktive Aufstiegschancen. Das ist essentiell, um die eigene Kanzlei zukunftsfest aufzustellen und sich auch in Zukunft am Arbeitsmarkt zu behaupten.


Zur Person

Dipl.-Kfm. Alexander C. Schüffner ist Steuerberater, Präsident der Steuerberaterkammer Berlin und Mitglied im Präsidium der Bundessteuerberaterkammer sowie Geschäftsführer der SHK Schüffner & Kollegen Steuerberatungsgesellschaft mbH in Berlin.