Wie sieht die Zukunft der Steuerkanzlei aus? Im Rahmen der Initiative Zukunftskanzlei haben wir dazu mit unterschiedlichen Expertinnen und Experten aus der Branche gesprochen. Michael Bark ist Steuerberater und Partner einer 20-köpfigen Kanzlei. Wieso er bei der Digitalisierung alle mitnehmen möchte, erklärt er im Interview.
Herr Bark, hier im Raum, in dem wir das Interview führen, steht ein großes Plakat, auf dem Begriffe wie lebenswert, Lebensfragen, Lebenswerk, Erfahrungswert und Lebensziele stehen. Was hat es damit auf sich?
Tatsächlich steht dieser Aufsteller schon länger hier. Er stammt noch aus der Zeit, als wir unser Kanzleibild entwickelt haben. Das war vor knapp 20 Jahren. Wir haben uns Fragen gestellt: Was ist uns wichtig? Wie wollen wir nach außen auftreten? Was ist für uns lebenswert? Bei den Antworten ist uns aufgefallen, dass sie sich alle um „Leben“ und „Wert“ drehten. Wir sind kein Zahlenfriedhof für Mandanten, sondern betrachten unsere Mandanten ganzheitlich. Ausdruck dafür ist unser Leitbild.
Gilt dieser ganzheitliche Blick nur für die Mandantinnen und Mandanten oder auch für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Die ganzheitliche Sichtweise gilt auch den Menschen, die bei uns arbeiten. Wir möchten, dass sie sich hier in der Kanzlei wohlfühlen. Und hoffen, dass uns das gelingt. Wir haben viele Mitarbeiter, die schon lange bei uns arbeiten. Gleichzeitig stehen wir mitten in einem Wettbewerb um Menschen, der zunehmend härter wird. Es kommt zu teilweise aggressiven Abwerbeversuchen, denen wir uns stellen müssen. Wir sind präsent auf verschiedenen Social-Media-Kanälen und haben ein Schnellbewerbungstool.
Sie waren Teilnehmer des ersten Workshops der Initiative Zukunftskanzlei. Damals betrachteten die Teilnehmenden globale Megatrends und diskutierten, was diese für Steuerkanzleien bedeuten. Es ging um Zukunft und längerfristige Veränderung. Dann kam die Pandemie. Was hat sich für Sie durch Corona verändert?
Wir waren gezwungen Dinge, die wir strategisch eher behutsam mittel- bis langfristig verändern wollten, ganz plötzlich und sehr schnell zu tun. Wir wurden von Corona ins kalte Wasser gestoßen. Da war zum einen der Digitalisierungsschub, als wir auf mobile Arbeit umstellen mussten. Wir mussten uns fragen, was die Mitarbeiter brauchen, damit sie von zu Hause aus arbeiten und vor allem zusammenarbeiten können. Mindestens genauso wichtig war aber die Organisationsseite. Wir haben bis heute eine große Zahl von papiergebundenen Unterlagen. Wie sieht Arbeit mit und an diesen Unterlagen in einer mobilen Arbeitswelt aus? Das mussten wir erst einmal klären. Und natürlich all die Fragen rund um Arbeitsschutz und Datenschutz.
Der Report „Zukunftskanzlei reloaded“ zeigt auf, in welchen Bereichen sich Steuerkanzleien in den vergangenen Jahren verändert haben und ihrem Zukunftsbild somit näher gekommen sind. Er macht aber auch deutlich, welche Aufgaben von Kanzleien in Zukunft noch angegangen werden können und gibt Handlungsempfehlungen. Hier geht es zum Report. |
Hält dieser Digitalisierungsschub noch an?
Es wird ein Prozess sein, der sich noch länger hinzieht und der auch nicht allen gleichermaßen sofort gerecht wird. Wir haben Mitarbeiter, die eine weitere Digitalisierung einfordern und die auch dauerhaft mobil arbeiten wollen. Wir haben aber auch Mitarbeiter, die die Sorge haben, dass ihr Beruf einmal wegdigitalisiert wird, auch weil man das immer wieder in den Medien liest.
Wie gehen Sie mit diesen Ängsten um?
Wir nehmen diese Sorgen ernst und versuchen im Gespräch zu vermitteln, wie alle auf dieser Reise mitgenommen werden können und müssen. Denn es wird weiterhin einen hohen Bedarf an fachlich gut geschulten Steuerfachkräften geben. Natürlich gibt es für gewisse Tätigkeiten bereits Programme, die das ein oder andere übernehmen können, aber nicht für alle. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht und in dieser Zeit verlagern sich die Tätigkeiten und werden die Mitarbeiter fortgebildet. Es werden mehr Kontroll- und Überwachungsaufgaben hinzukommen und ein langsames Überführen der Mandate in diese Automatisierung. Es wird ein Prozess sein, der sich noch einige Zeit hinzieht und bei dem man alle mitnehmen kann, die mit auf die Reise gehen wollen.
Auch die Mandantinnen und Mandanten?
Es ist wichtig, dass man die Mandanten bei diesem Prozess nicht überfordert. Wir haben vor zwei Jahren einen Mandanten dazugewonnen, der nicht bei seinem alten Steuerberater bleiben wollte, weil dieser ihn dazu gedrängt hatte, zu digitalisieren. Das fällt besonders Kanzleiverbünden leicht, die zum Beispiel eine rein digitale Niederlassung gründen können. Die profitieren dabei von ihren größeren Strukturen. Da machen wir nicht mit. Wir wollen das Geschäft behutsam transformieren.
Die Initiative #Zukunftskanzlei begibt sich gemeinsam mit Menschen aus der Steuerberatungsbranche auf die Suche nach einem Zukunftsbild für Steuerberatungskanzleien. Im Rahmen der Initiative ist unter anderem die Studie #Zukunftskanzlei 2025 entstanden. Hier erfahren Sie mehr. |
Wie funktioniert das in der Praxis?
Vor ein paar Jahren haben wir systematisch geschaut, bei welchen Mandanten sich die Einführung des Kontoauszugs-Managers und der Plattform „Unternehmen online“ von DATEV lohnt. Auch Schnittstellen zu Lexware oder beispielsweise eine eigene Datenaustauschplattform mit dazugehöriger „Wilms-&-Partner-App“ werden angeboten und auch zunehmend angenommen. Wir versuchen regelmäßig, unsere Mandanten von dem Nutzen dieser Tools zu überzeugen. Trotzdem gelingt uns das nicht immer. Für diese Fälle haben wir vor zwei Jahren Scanner an jeden Arbeitsplatz in der Kanzlei gestellt, damit wir ihre Belege einscannen und dann weiter digital bearbeiten können. Das hat zunächst nicht allen Mitarbeitern gefallen. Als sie dann aber nach und nach den Nutzen erkannt haben, hat es letztlich alle überzeugt.
Wo steht Ihre Kanzlei am Ende dieser behutsamen Transformation?
Wir werden weiter bei einer gewissen Spezialisierung, der Heilberufsbranche, bleiben. Auch wenn wir da durchaus eine Veränderung feststellen, da Investoren große Praxisstrukturen aufkaufen und zu Verbünden zusammenschließen, was nicht immer zum Vorteil der Steuerberater ist. Ich sehe uns tatsächlich auf dem Weg, dass wir mittelfristig durch die Schulung von Mitarbeitern zu einem kompletteren Dienstleister werden, der nicht nur bucht, sondern die Mandanten bei technischen Dingen unterstützt, etwa bei der Automatisierung von Prozessen, bei der Implementierung von Programmen und der Vernetzung mit uns. Dabei denke ich auch an kleinere und mittlere Unternehmen, quasi das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, denen wir ein Komplettangebot rund um Technik, Steuerrecht und betriebswirtschaftliche Beratung anbieten möchten.
Wie möchten Sie dieses Ziel erreichen?
Wenn man ein umfassendes Beratungsangebot anbieten möchte, muss man auf Kooperationen zurückgreifen. Der Austausch innerhalb der Branche ist ebenfalls hilfreich. Es gibt Vorreiter, von deren Wissen wir profitieren können. Diesen Austausch halte ich für wichtig, auch innerhalb der Kanzlei. Wir haben das Glück, dass wir vor zwei Jahren zwei Kollegen mit in die Kanzleileitung in Partnerschaft aufgenommen haben. Wir bilden jetzt alle Altersspektren gut ab. Und auch wenn ich schon relativ weit oben in diesem Spektrum bin, widme ich mich gerne aktuellen Themen. Wenn man wach bleiben will und offen für kommende Neuerungen im Beruf, was unser Ansinnen ist, sollte man über den Tellerrand hinausblicken können. Das leben wir unseren Mitarbeitern vor und ermuntern sie, eigene Ideen und Anregungen einzubringen, um die Kanzlei, und somit ihr eigenes Arbeitsumfeld, aktiv mitzugestalten und zukunftssicher aufzustellen.
Zur Person
Michael Bark ist Steuerberater und seit 2004 Partner in der Partnerschaftsgesellschaft Wilms & Partner in Düsseldorf. Aktuell beschäftigt die Kanzlei circa zwanzig Mitarbeitende mit vier Partnern. Der Fokus liegt auf der Betreuung unternehmerischer Mandate (KMU). Zwei Drittel der Mandanten sind in der Heilberufsbranche tätig.