Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhrabgaben, Abgabenbefreiung, Übersiedlungsgut, Begriff des gewöhnlichen Wohnsitzes, Doppelansässigkeit EU/Drittstaat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen ist dahin auszulegen, dass eine natürliche Person für die Zwecke der Anwendung dieser Bestimmung ihren gewöhnlichen Wohnsitz nicht gleichzeitig in einem Mitgliedstaat und in einem Drittland haben kann.

2. In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der Beteiligte in einem Drittland sowohl berufliche als auch persönliche Bindungen und in einem Mitgliedstaat persönliche Bindungen hat, kommt bei der Gesamtbewertung der erheblichen Tatsachen zur Bestimmung, ob sich sein gewöhnlicher Wohnsitz im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 1186/2009 im Drittland befindet, der Dauer seines Aufenthalts in diesem Drittland besondere Bedeutung zu.

 

Normenkette

EGV 1186/2009 Art. 3

 

Beteiligte

XX

Staatssecretaris van Financien

 

Verfahrensgang

Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 14.11.2014; ABl. EU 2015, Nr. C 56/5)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Gemeinsamer Zolltarif ‐ Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 ‐ Art. 3 ‐ Befreiung von den Einfuhrabgaben ‐ Übersiedlungsgut ‐ Verlegung des Wohnsitzes von einem Drittland in einen Mitgliedstaat ‐ Begriff ,gewöhnlicher Wohnsitz‘‐ Unmöglichkeit, einen gewöhnlichen Wohnsitz gleichzeitig in einem Mitgliedstaat und in einem Drittland zu haben ‐ Kriterien zur Bestimmung des Ortes des gewöhnlichen Wohnsitzes“

In der Rechtssache C-528/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande, Niederlande) mit Entscheidung vom 14. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 21. November 2014, in dem Verfahren

X

gegen

Staatssecretaris van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin),

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von X, vertreten durch B. J. B. Boersma, adviseur,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. Noort als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Grønfeldt und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Dezember 2015

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 324, S. 23).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) wegen dessen Weigerung, die Verbringung des Übersiedlungsguts von X von Katar nach den Niederlanden von den Einfuhrabgaben zu befreien.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 83/182/EWG

Rz. 3

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (ABl. L 105, S. 59) in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 129) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 83/182) bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als ,gewöhnlicher Wohnsitz‘ der Ort, an dem eine Person wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder ‐ im Falle einer Person ohne berufliche Bindungen ‐ wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d. h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.

Jedoch gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt. …“

Richtlinie 83/183/EWG

Rz. 4

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 83/183/EWG des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiungen bei der endgültigen Einfuhr persönlicher Gegenstände durch Privatpersonen aus einem Mitgliedstaat (ABl. L 105, S. 64), die durch die Richtlinie 2009/55/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über Steuerbefreiungen bei der endgültigen Verbringung persönlicher Gegenstände durch Privatpersonen aus einem Mitgliedstaat (ABl. L 145, S. 36) aufgehoben wurde, stimmte mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 83/182 überein.

Verordnung Nr. 1186/2009

Rz. 5

Mit der Verordnung Nr. 1186/2009 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 105, S. 1) aufgehoben.

Rz. 6

Die Erwägungsgründe 3 und 4 der Verordnung Nr. 1186/2009 lauten:

„(3) Eine … Abgabenerhebung ist … unter best...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Weimann, Umsatzsteuer - national und international (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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