rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Vorsteuerabzug aus von Briefkastenfirmen bzw. Domizilgesellschaften erstellten, nicht die tatsächlich im Baubereich erbrachte Arbeitnehmerüberlassung ausweisenden Eingangsrechnungen. Entscheidung über Vorsteuerabzug aufgrund von Gutgläubigkeit des Rechnungsempfängers in gesondertem Billigkeitsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthalten die von Subunternehmern in der Baubranche erstellten Rechnungen nicht eine ordnungsgemäße Bezeichnung der tatsächlich erbrachten Leistung (Arbeitnehmerüberlassung), sondern erwecken sie den Anschein von Abrechnungen über Werklieferungen bzw. Werkleistungen und weisen sie auch nicht die zutreffenden leistenden Unternehmer aus, da es sich bei den Rechnungsausstellern um diverse –zum Zwecke der Umgehung der deutschen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts von im Ausland ansässigen, unbekannten Hintermännern eingerichtete– Scheinfirmen bzw. Domizilgesellschaften handelt, so steht dem im Inland ansässigen Rechnungsempfänger der Vorsteuerabzug nicht zu. Ob der Vorsteuerabzug gleichwohl aufgrund einer Billigkeitsmaßnahme (Vertrauensschutz zugunsten des gutgläubigen Rechnungsempfängers) zu gewähren ist, kann nicht im Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung, sondern nur in einem gesonderten Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO geklärt werden.

2. Von einer Gutgläubigkeit des Rechnungsempfängers ist nicht auszugehen, wenn die für ihn handelnden Personen u.a. sehr häufig mit diversen Briefkastenfirmen und Domizilgesellschaften zusammengearbeitet haben, sie nach den gesamten Umständen erkennen mussten, dass für die Subunternehmen im Ausland befindliche Personen auftraten, und wenn sie eine Zahlung jeweils durch Verrechnungsscheck behauptet, tatsächlich aber dafür gesorgt haben, dass die betreffenden Beträge flächendeckend von der bezogenen Bank bar an die Empfänger der Verrechnungsschecks ausgezahlt wurden.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 16, 18; AO §§ 163, 227

 

Tenor

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine 1984 gegründete GmbH, betrieb ein Unternehmen zur Ausführung von Trockenausbau, Innen- und Außenputz. Ihr Stammkapital betrug 1998 bis 2000 50.000 DM, an dem der alleinige Geschäftsführer A mit 45.000 DM, seine Ehefrau mit 2.500 DM und deren Tochter mit 2.500 DM beteiligt waren. Die Gewinn- und Verlustrechnungen der Klägerin wiesen u.a. folgende Daten aus:

1995

1996

1997

1998

1999

2000

Umsatz[1]

3.654.743

4.292.653

4.237.161

3.802.577

2.782.584

4.269.221

Fremdarbeiten

1.196.668

1.457.753

1.453.559

1.089.116

725.313

1.448.114

Personalaufwand

1.372.409

1.328.719

1.171.674

1.299.498

1.107.642

1.856.655

Gewinn/Verlust

-31.090

+7.329

+17.114

+10.466

-100.165

-99.426

Im April 2002 wurde für 1997 eine Umsatzsteuersonderprüfung durchgeführt. Der Prüfer beanstandete die Vorsteuerbeträge, die bestimmte Subunternehmer in Rechnung gestellt hatten. Auskunftsersuchen hatten ergeben, dass es sich um Scheinfirmen bzw. um Rechnungen über falsch abgerechnete Leistungen handele. Daraufhin änderte der Beklagte am 13. September 2002 die Umsatzsteuerfestsetzung 1997. Hiergegen legte die Klägerin am 19. September 2002 Einspruch ein, den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 12. März 2007 als unbegründet zurückwies.

2003 wurde bei der Klägerin für 1998 bis 2000 eine Betriebsprüfung durchgeführt, bei der die Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der D-GmbH als einer Scheinfirma beanstandet wurden (1998: 29.662,76 DM; 1999: 7.343,97 DM). Am 7. Mai 2004 änderte der Beklagte dementsprechend die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1998 und 1999. Hiergegen erhob die Klägerin am 1. Juni 2004 Einspruch, den der Beklagte ebenfalls mit Einspruchsentscheidung vom 12. März 2007 als unbegründet zurückwies.

Am 4. April 2007 erhob die Klägerin Klage. Sie beantragt,

unter Änderung der angefochtenen Bescheide, alle i.F.d. Einspruchsentscheidungen vom 12. März 2007, die Umsatzsteuer 1997 bis 1999 unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuerbeträge i.H.v.

  • ▹ 57.671,21 DM (1997),
  • ▹ 29.662,76 DM (1998) und
  • ▹ 7.343,97 DM (1999)

festzusetzen.

Die fraglichen Unternehmen seien keine „Scheinfirmen”. Die Klägerin beschäftige oftmals Subunternehmer. Sie hätten alle einen inländischen Betriebssitz. Dass die fraglichen Firmen tatsächlich existierten, könne durch Rückfragen bei Amtsgerichten (Handelsregister), Finanz- und Gemeindeverwaltungen, Handwerkskammern und Sozialversicherungsträgern nachgewiesen werden. Weitere Nachforschungen über den Geschäftspartner seien unzumutbar. Die Subunternehmer hätten ordnungsmäßige Arbeiten abgeliefert, ordnungsmäßige Rechnungen erstellt und sie seien von der Klägerin ebenso bezahlt worden. Wenn erst viel später durch Steuerfahndungsmaßnahmen festgestellt werde, dass es sich um „Scheinfirmen” gehandelt habe, so könne man dem Unternehmer im nachhinein nicht deren steuerliche Fehlleistungen „aufhalsen”. Der Staat habe sein...

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