Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 UStG bei Erbringung von Erschließungsleistungen an eine Kommune, dem leistenden Unternehmer von der Kommune verweigerten Schlusszahlungen und letztendlich gerichtlich geschlossenem Vergleich. Steuerschuldnerschaft nach § 14c Abs. 2 UStG bzw. Zeitpunkt der Berichtigung nach § 14c Abs. 2 UStG bei unzutreffend nicht an die Kommune als Leistungsempfängerin, sondern an eine kommunale Tochter-GmbH adressierten, Umsatzsteuer ausweisenden Rechnungen über die Schlussforderungen des Unternehmers sowie die Forderung aufgrund des gerichtlichen Vergleichs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Unternehmer mit einer Kommune vertragliche Vereinbarungen über die Durchführung von Erschließungsmaßnahmen getroffen, so besteht auch dann ein umsatzsteuerliches Leistungsaustauschverhältnis nur mit der Kommune, wenn der Unternehmer aufgrund der Aufforderung der Kommune Rechnungen teilweise an eine Tochter-GmbH der Kommune adressiert hat.

2. Erstellt der Unternehmer nach Durchführung der Erschließungsmaßnahmen Schlussrechnungen an die Kommune, so ist bereits in diesem Jahr von der Uneinbringlichkeit der Schlussforderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auszugehen, wenn die Kommune trotz erfolgter Abnahme ohne Mängelbeanstandungen (abgesehen von untergeordneten Restarbeiten) keine Zahlung auf die Forde-rungen leistet, der Unternehmer deswegen gezwungen ist, seine Forderungen gerichtlich geltend zu machen, und die Kommune als Leistungsempfängerin in ihrer Klageerwiderung bereits die Anspruchsgrundlage für die Schlussforderungen bestreitet. Die Schlussforderungen werden spätestens dann „uneinbringlich” im Sinne des § 17 Abs. 2 UStG, wenn die Kommune nach Ergehen eines für den Unternehmer positiven Grundurteils in der ersten Instanz Rechtsmittel einlegt.

3. Schließen der Unternehmer und die Kommune in einem Folgejahr vor der Berufungsinstanz einen Vergleich über die Schlussforderungen, so kann in diesem Jahr des Vergleichsabschlusses das Entgelt für die Schlussrechnungen nicht nach § 17 UStG berichtigt werden, wenn es bereits in einem früheren Jahr (siehe 2.) im Sinne des § 17 Abs. 2 UStG uneinbringlich geworden ist; insoweit besteht kein Wahlrecht für den Zeitpunkt der Berichtigung.

4. Hat der Unternehmer in Schlussrechnungen Umsatzsteuer gegenüber der kommunalen Tochter-GmbH offen ausgewiesen, obwohl allein die Kommune Leistungsempfängerin war, so handelt es sich bei der Steuer, die in den an die GmbH adressierten Rechnungen ausgewiesen wurde, um einen unberechtigten Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG. Wurde der Vorsteuerabzug bei der GmbH als Empfängerin der Rechnungen bislang nicht durchgeführt, so ist eine spätere Berichtigung der nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldeten Steuer entweder für den Zeitpunkt der Rechnungsausgabe oder für den Zeitpunkt vorzunehmen, in dem aufgrund Eintritt von Rechtskraft bzw. Festsetzungsverjährung eine Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus der Rechnung durch die GmbH als Rechnungsempfängerin endgültig ausgeschlossen ist, nicht aber in einem Jahr, in dem keiner der beiden möglichen Zeitpunkt liegt.

5. Stellt der Unternehmer die gerichtlich vereinbarte Vergleichszahlung nicht der Kommune als Leistungsempfängerin, sondern der kommunalen Tochter-GmbH unter Ausweis von Umsatzsteuer in Rechnung, so schuldet er die ausgewiesene Umsatzsteuer ebenfalls nach § 14c Abs. 2 UStG. Die GmbH wird nicht dadurch nachträglich Leistungsempfängerin, dass sie in den zivilgerichtlichen Vergleich einbezogen worden ist.

 

Normenkette

UStG § 10 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 14c Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 Sätze 2-5, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1-2; MwStSystRL Art. 73, 90 Abs. 1-2, Art. 203

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist eine ARGE in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehend aus den Unternehmern X GmbH und Y. Die kaufmännische Geschäftsführungsbefugnis der X GmbH umfasst die Vertretung vor Gericht.

Die Klägerin führte aufgrund eines Zuschlags vom 4. März 2013 im Auftrag der Stadt A (im Folgenden: Stadt) Erschließungsmaßnahmen (Straßen-, Kanal- und Wasserleitungsarbeiten) im Baugebiet „B Straße” durch.

Bei der Durchführung der Baumaßnahmen kam es auf Grund des Hochwassers im Jahr 2013 zu einem starken Anstieg des Grundwasserspiegels, wodurch sich die Baumaßnahmen der Klägerin aufwendiger gestalteten. Daraus resultierte ein Nachtragsangebot der Klägerin, welches die Stadt durch ein Ingenieurbüro überprüfen ließ. Dieses stellte fest, dass die Kosten gerechtfertigt waren. Dennoch wurde zwischen der Klägerin und der Stadt streitig, ob und in welchem Umfang Mehraufwendungen zu vergüten waren.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2015 gab die Stadt aufgrund eines Nachtragsangebotes der Klägerin vom 15. April 2014 Zahlungen von insgesamt … EUR unter Rückforderungsvorbehalt frei. Zugleich wies sie – insbesondere b...

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