Entscheidungsstichwort (Thema)
Buch- und Belegnachweis als Voraussetzung der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung von PKW. Umsatzsteuer 1998, 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. In Fällen einer innergemeinschaftlichen Lieferung, in denen der Unternehmer oder Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, kann ausnahmsweise der buchmäßige Nachweis auch dann erbracht sein, wenn eine der in § 17c Abs. 2 UStDV genannten Angaben nicht aufgezeichnet worden ist. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Aufzeichnung als reine Formsache darstellt, etwa weil sich die Angabe durch die Bezugnahme auf einen korrespondierenden und der Buchführung beigehefteten Beleg leicht und eindeutig ermitteln lässt. Der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 17c Abs. 1 UStDV ist aber nur dann als geführt anzusehen, wenn sich aus der Gesamtheit der Buchführungsvorgänge die jeweilige innergemeinschaftliche Lieferung eindeutig und leicht nachprüfbar ergibt.
2. Im Urteilsfall: Steuerfreiheit einer PKW-Lieferung an in Spanien operierende Scheinfirmen „missing trader”) aufgrund guten Glaubens des inländischen Lieferers, obwohl auf den erstellten Belegen eine ausdrückliche Angabe über den genauen Bestimmungsort der von den Beauftragten der Scheinfirmen im Inland abgeholten Fahrzeuge fehlte.
Normenkette
UStG 1999 § 4 Nr. 1b, § 6a Abs. 3 S. 2, Abs. 4; UStDV § 17a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 17c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 9
Tenor
1. Die Umsatzsteuerbescheide für 1998 und 1999 vom 11. Juni 2002 und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger zu Recht den Verkauf von vier PKW's umsatzsteuerfrei beließ.
Im Einzelnen handelte es sich um Verkäufe von PKW's der Marke Audi A 4 bzw. A 8 und einen VW Golf mit folgenden Belegdaten:
Rechnung vom 14. Dezember 1998 an die Fa. G, Abholung am 21. Dezember 1998 (Nr. 1) bzw. Rechnung vom 4. Februar 1999 ebenfalls an die Fa. G, Abholung am 15. Februar 1999 (Nr. 2) sowie Rechnung vom 17. November 1999 an die Fa. A, Abholung 18. November 1999 (Nr. 3) und Rechnung am 23. Dezember 1999 an die Fa. A, Abholung am 21. Januar 2000 (Nr. 4).
Bei den vom Kläger vorgefertigten Empfangsbestätigungen (vgl. 80 ff. Betriebsprüfungs-Akte) sind in der Zeile „Fahrer für Abnehmer” folgende Namen mit Anschrift vermerkt: A K (Nr. 1, 2 und 4) bzw. S (Nr. 3), die beide den Empfang des Fahrzeugs und die beabsichtigte Beförderung nach Portugal bestätigten. Eine Bestätigung der Leistungsempfänger G und A, dass die beiden Personen zur Abholung des Fahrzeugs berechtigt waren, ist auf der Empfangsbestätigung nicht vermerkt.
Da es sich nach der Auffassung des Bundesamtes für Finanzen (vgl. Schreiben des Bundesamts für Finanzen vom 14. Mai 2001, Bl. 32 BP-Akte) bei den beiden Firmen G und A um Scheinfirmen handelte und nach der Auffassung des FA weitere Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der PKW-Verkäufe nicht vorlagen, setzte das Finanzamt (FA) mit den Änderungsbescheiden vom 11. Juni 2002 für 1998 eine negative Umsatzsteuer von 67.984,44 EUR und für 1999 eine negative Umsatzsteuer von 3.826,51 EUR fest.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 7. März 2003).
Mit seiner nunmehr erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen folgendes geltend:
Alle in Rede stehenden Fahrzeuge seien seiner Meinung nach in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden. Es werde insbesondere bestritten, dass die Fahrzeuge nach Frankreich geliefert worden seien. Die beiden Gesellschaften G und A seien tatsächlich am Markt tätig gewesen, hätten mit Fahrzeugen gehandelt und auch über Telefon und Faxanschlüsse verfügt.
Zu dem buchmäßigen Nachweis gehöre nicht, dass auch der Abholer eine schriftliche Vertretungsvollmacht des Leistungsempfängers vorweisen müsse. In den Streitfällen bestünden wirksame Kaufverträge, die durch gültige Angebote und wirksame Annahme zu Stande gekommen seien, wobei die Vertretungsmacht des Abholers zivilrechtlich keine Rolle spielen würde.
Entgegen der Auffassung des FA sei es auch unbedeutend, dass das Fahrzeug Nr. 1 mit einem französischen Überführungskennzeichen versehen und von einem französischen Staatsangehörigen abgeholt worden sei, da das erworbene Fahrzeug ohnehin quer durch Frankreich hätte gefahren werden müssen. Dies sei im Gegenteil ein Indiz für den Kläger gewesen, dass das Fahrzeug tatsächlich ins Ausland überführt werden sollte.
Außerdem habe der Kläger schriftlich und mündlich mit den beiden Firmen in Kontakt gestanden. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass die Telefonate bzw. Fax-Schreiben eine Vorwahl von Spanien und nicht von Portugal gehabt hätten.
Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei den Firmen um Scheinfirmen gehandelt habe, könne sich der Kläger jede...