Rz. 4
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 17 Buchst. a UStG setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL und § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. p der MwStSystRL in nationales Recht um.
Rz. 5
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Allerdings verwendet § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG – im Gegensatz zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL – den Begriff der "ordnungsgemäß anerkannten Einrichtung" nicht. Der EuGH hat sich zum Begriff der Einrichtung i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL dahingehend geäußert, dass diese nur für juristische Personen als Leistende gelte, nicht aber auf natürliche Personen anwendbar sei. Insofern stellt sich die Frage, ob diese einschränkende Rechtsprechung auch i. R. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL gilt (EuGH vom 11.08.1995, Rs. C-453/93, Bulthuis-Griffioen, UVR 1996, 80). Denn dann könnte der Gedanke aufkommen, § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG verstoße gegen die MwStSystRL, da diese Vorschrift auch natürliche Personen/Personengesellschaften von der Steuer befreit, da sie keine Einschränkung auf juristische Personen vorsieht. Allerdings hat der EuGH mit Urteil vom 07.09.1999 (Rs. C-216/97, Jennifer und Mervyn Gregg, IStR 1999, 599) in Ergänzung seiner vormaligen Rechtsprechung zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und g der 6. EG-RL entschieden, dass der dort verwendete Begriff der Einrichtung keine bestimmte Rechtsform voraussetzt, demnach auch natürliche Personen und Vereinigungen aus mehreren natürlichen Personen begünstigt sind. Eine auch nach dieser Entscheidung verbleibende Abweichung des nationalen Umsatzsteuerrechts zu den Richtlinienregelungen kann allerdings in dem Erfordernis einer "anerkannten Einrichtung" liegen, da insoweit § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG keine weiteren Voraussetzungen enthält.
Rz. 6
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Mit Urteil vom 03.06.2010 (Rs. C-237/09, De Fruytier, UR 2010, 624) hat der EuGH entschieden, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der 6. EL-RL (entspricht Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL) dahin auszulegen ist, dass er nicht auf Beförderungen von menschlichen Organen und dem menschlichen Körper entnommenen Substanzen anwendbar ist, die von einem Selbstständigen für Krankenhäuser und Laboratorien durchgeführt werden. Die in Art. 13 der 6. EG-RL genannten Steuerbefreiungen sind autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (vgl. insbesondere EuGH vom 25.02.1999, Rs. C-349/96, UR 1999, 254). Danach müsse der Begriff "Lieferung" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-RL eine dem Unionsrecht eigene autonome einheitliche Auslegung erhalten. Der Begriff der "Lieferung eines Gegenstandes" beziehe sich deshalb nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern erfasse jede Übertragung eines körperlichen Gegenstandes durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie ein Eigentümer. Die streitgegenständliche Tätigkeit erschöpft sich jedoch im körperlichen Verbringen von einem Ort zu einem anderen, ohne dass darin die "Lieferung von Gegenständen" (Organe/Frauenmilch) i. S. d. Art. 5 Abs. 1 und 13 Teil a Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-RL zu sehen ist.
Rz. 7
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Steuerbefreiung stehe auch nicht die mangelnde Verkehrsfähigkeit von menschlichen Organen und dem menschlichen Körper entnommenen Substanzen in einzelnen Mitgliedstaaten (u. a. Belgien) nach dem "Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über die Menschenrechte und Biomedizin", geschlossen in Oviedo am 04.04.1997, in Art. 21 (Verbot finanziellen Gewinns) entgegen. Jedenfalls sei dieses Übereinkommen, das nach seinem Art. 33 Abs. 1 u. a. für die Mitgliedstaaten des Europarats und die der Europäischen Union zur Unterzeichnung aufliegt, von der Union nicht unterzeichnet worden und könne damit Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-RL nicht jede praktische Wirksamkeit nehmen.